Kein Einzelfall – Antisemitismus in Leipzig

Zu einem Kundgebungsaufruf unter dem Motto “Kein Platz für Antisemitismus”, der Initative „Leipzig nimmt Platz„, versammelten sich am Abend gut 500 Teilnehmer*innen vor dem Leipziger Hotel Westin. Hintergrund ist ein mutmaßlich antisemitischer Vorfall in dem Hotel, welcher sich am Montagabend ereignet haben soll.

Der Musiker Gil Ofarim wollte als Gast bei dem Leipziger Hotel Westin einchecken und soll dabei diskriminiert worden sein. Der 39-Jährige postete ein zweiminütiges Video auf Instagram, indem er schilderte, wie er in einer Schlange vor den Check-In wartete und andere Gäste vorgezogen wurden. Als er nach fragte warum er länger warten müsse, wurde ihm erklärt, dass die Warteschlange “entzerrt werden” müsse. Aus einer “Ecke” wurde gerufen “Pack deinen Stern ein”, was der Mann am Empfang mit “Packen Sie Ihren Stern ein” quittiert haben soll.


Gil Ofarim ist Sohn des in Tel Aviv geborenen Musikers Abi Ofarim. In den 1990er Jahren hatte er als Kinderstar „Gil“ mehrere Charthits und tourte weltweit. „Gil muss die jüngsten Vorkommnisse gestern in Leipzig erst einmal verdauen und ist noch sichtlich schockiert. Heute wäre der Geburtstag seines Vaters gewesen“, so eine Sprecherin gegenüber T-OnlinePolizeisprecher Olaf Hoppe konstatierte gegenüber der Leipziger Volkszeitung: “Wir haben den Fall der Staatsanwaltschaft Leipzig zur rechtlichen Prüfung vorgelegt“. In sozialen Netzwerken sorgten Ofarims Schilderungen am Dienstag vielfach für Empörung. Mehrere Politikerinnen und Politiker sowie andere Persönlichkeiten stellten sich hinter den Künstler.

Die presseverantwortliche, stellvertretende Hotelmanagerin äußerte sich auf Nachfrage von la-presse.org wie folgt:

Wir sind ein weltoffenes Hotel und lehnen jede Form von Intoleranz, Diskriminierung und Antisemitismus auf das Schärfste ab. Deshalb sind wir über die unerträglichen Vorwürfe von Herrn Ofarim besorgt und alarmiert. Antisemitismus ist nicht entschuldbar und wird in unserem Hotel nicht geduldet! Während wir weiter versuchen mit Herrn Ofarim persönlich in Kontakt zu treten, um den Vorfall vollständig aufzuklären, haben wir die betreffenden Mitarbeiter beurlaubt. Unser Ziel ist es, alle unsere Gäste und MitarbeiterInnen zu integrieren, zu respektieren und zu unterstützen, unabhängig von Religion, Hautfarbe oder sexueller Orientierung.”

Vor Ort positionierten sich Mitarbeiter*innen des Hotels mit einem Banner. Darauf abgebildet, neben dem Markenlogo, die Fahne Israels und ein Hilal mit fünfzackigem Stern – eines der bedeutendten muslimischen Embleme. Äußerungen gegenüber der Presse wolle man, nach dem abgegebenen Statement, keine mehr machen.

Es war in diesem Jahr nicht der erste antisemitische Angriff, der für Schlagzeilen sorgte. Anfang Mai wurde im Leipziger Stadtteil Gohlis eine ursprünglich aus Israel stammende junge Frau von einer Anwohnerin antisemitisch beleidigt und attackiert. Inzwischen hat sie die Stadt Leipzig verlassen. Die Leipziger Volkszeitung berichtete.

Anfragen von la-presse.org (gg 17:30 Uhr) zum Verfahrenstand, an Polizei und Staatsanwaltschaft, lagen bis zur Veröffentlichung des Beitrags (gg 19:40 Uhr) noch nicht vor.

Erst im September konstatierte die Innenpolitikerin Kerstin Köditz (Die Linke) in einer Pressemitteilung

In Sachsen werden weiterhin besonders viele antisemitische Straftaten begangen. So wurden allein im ersten Halbjahr 2021 im gesamten Freistaat 96 einschlägige Fälle bei der Polizei bekannt. […]  Für das gesamte Jahr 2020 wurden 173 Taten gemeldet – ein neuer, langjähriger Höchststand, nachdem die Fallzahlen vier Jahre in Folge gestiegen waren. Dieser Trend ist offensichtlich nicht gebrochen. Stattdessen droht wohl bald schon wieder ein unrühmlicher Rekord. Die Fälle verteilen sich auf alle Regionen, aber mit großen Unterschieden. So sind Leipzig (23), Dresden (16) und Chemnitz (13) obenauf, mehr als die Hälfte aller Taten entfällt auf das Gebiet der drei großen Städte.””

/SO MS

Ergänzung: Zu dem Fall, in welcher eine aus Israel stammende Frau antisemitisch beleidigt und attackiert wurde, teilte die Staatsanwaltschaft Leipzig am Folgetag mit:

das Strafverfahren gegen die 46-jährige Beschuldigte im Zusammenhang mit dem zur Anzeige gebrachten Sachverhalt vom 03.05.2021  ist rechtskräftig abgeschlossen.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Leipzig wurde gegen diese wegen des Tatvorwurfs der vorsätzlichen Körperverletzung und der versuchten Nötigung am 18.08.2021 durch das Amtsgericht Leipzig ein Strafbefehl mit einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätze erlassen. Nachdem die Angeklagte gegen den Strafbefehl hinsichtlich der Höhe der Tagessätze Einspruch eingelegt hatte, wurde durch das Amtsgericht Leipzig am 13.09.2021 ein entsprechender Beschluss mit einer nunmehr verringerten Tagessatzhöhe erlassen, welcher seit dem 24.09.2021 rechtskräftig ist.

Hinsichtlich der Höhe der Tagessatze werden keine Angaben gemacht, da das schutzwürdige Interesse der Verurteilten an einer Zurückhaltung der Informationen ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber dem presserechtlichen Auskunftsanspruch von Vorrang ist, § 4 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 SächsPresseG. Ich bitte insoweit um Verständnis.

/MS (06. Oktober 2021, 17:44 Uhr)