Besetzung Ludwigstraße 71 in Leipzig

Aktivist:innen von @leipzigbesetzen haben ein Haus in der Ludwigstraße 71 besetzt. Der Beitrag dokumentiert die Entwicklung.

Hier noch die Pressemitteilung und das Nutzungskonzept der Aktivist:innen:

„Heute, am 21. August 2020, haben Aktivist*innen von Leipzig Besetzen das Haus in der Ludwigstraße  71 besetzt. Nachdem es bereits am 1. Mai eine Scheinbesetzung im selben Gebäude gab, sind wir diesmal gekommen, um zu bleiben!

Ziel dieser Besetzung ist die Rückeroberung des öffentlichen Raums und die Schaffung freier, nicht-kommerzieller Räume sowie das Aufzeigen von massivem Leerstand in unserer Stadt. Die Mieten steigen, der Wohnraum wird knapper, die Kommerzialisierung des städtischen Raums schreitet weiter voran. Verdrängungs- und Gentrifizierungseffekte, wie sie sich in anderen Stadtteilen Leipzigs, wie der Südvorstadt, Plagwitz und Connewitz gezeigt haben, sind auch im Leipziger Osten schon längst traurige Realität“, erklärt Sasha, Aktivist*in der Gruppe Leipzig Besetzen. 
 
Städtischer Raum ist heute vor allem Objekt von Spekulationen und Gewinnmaximierung. Die Vielzahl der seit Jahren ungenutzten, leerstehenden oder gerade unter Luxussanierung stehenden Gebäude beweisen das. Dieser Sachverhalt ist fester Bestandteil der neoliberalen Städtepolitik, die den Interessen von Unternehmer*innen wie der CG-Gruppe, Vonovia oder Pears Global mehr Bedeutung zumisst, als den Bedürfnissen der Menschen, die tatsächlich in der Stadt leben. 
 
Kaya von Leipzig Besetzen ergänzt dazu:”Auch die Räumung des Syndikats am 07.08.2020 in Berlin-Neukölln hat gezeigt, dass die wirtschaftlichen Interessen von Briefkastenfirmen mehr Beachtung finden, als die solidarischen Strukturen in der Nachbar*innenschaft. Senat und Polizei haben sich dabei wieder einmal zu Komplizen aggressiv auftretender Investor*innen gemacht.
 
Die Stadt Leipzig hat nun die Möglichkeit es anders zu machen und sich offen für selbstverwaltete und solidarisch ausgerichtete Stadtpolitik zu zeigen. Wir von #leipzigbesetzen sind jederzeit bereit, mit der Stadt und Vermieter*innen in Verhandlungen zu treten und hoffen auf einen Umgang auf Augenhöhe ohne Gewaltausbrüche. Als Grundlage legen wir der Stadt bereits ein Nutzungskonzept vor, welches unter anderem die Errichtung eines Veranstaltungsraumes, eines Cafés, Wohnraums sowie einenachbarschaftlichen Gemeinschaftsgartens, welcher auch von Kitas und Schulen als Schulgarten genutzt werden kann, vorsieht.
 
Als politisches Projekt streben wir ein solidarisches Miteinander mit der Nachbar*innenschaft an und rufen deshalb alle Interessierten auf die Besetzung zu unterstützen, sich einzubringen und somit den Leerstand, das entstehende Projekt, mitzugestalten. 
 
Die Freiraum-Kampagne #leipzigbesetzen versteht sich als Teil der bundesweiten Kampagne #besetzen.  Wie bei unseren Freund*innen in Berlin und den anderen Städten, wird solange weiter besetzt, bis es nicht mehr notwendig ist.
 
#leipzigbesetzen  #Luwi71 bleibt!“
 

Nutzungskonzept Luwi 71:

Das Haus der Ludwigstraße 71 wurde am Freitag den 21. August 2020 besetzt. Das
Haus soll zu einem Hausprojekt werden. Die Besetzung soll auch den Forderungen
nach einer Prioritätenverschiebung in der Leipziger Wohn- und Stadtbaupolitik
Nachdruck verleihen. Gefordert wird ebenso eine Dekriminaliserung von
Leerstandsnutzungen wie auch einen sofortigen Stopp aller Zwangsräumungen.
Der Leipziger Osten wird zunehmend zum Hotspot der Gentrifizierung.
Mietpreiserhöhungen und Luxussanierungen führen zur Exklusion finanziell
benachteiligter Personen. Der Osten, besonders das Gebiet um die Eisenbahnstraße,
soll als attraktiver und kulturell bereichernder Stadtteil erhalten bleiben und erweitert
werden.
Das Grundstück steht nun bereits seit über einem Jahrzehnt leer und wird nicht
genutzt. Daher halten wir es für unsere kulturelle und soziale Nutzung für optimal
geeignet. Das Haus besteht aus drei Etagen und ist unterkellert. Die oberen Etagen
sind mit je zwei Wohnungen mit mehreren Zimmern ausgestattet. Zum Haus gehört
ein Garten. Den Räumlichkeiten werden unterschiedliche Nutzungen zugeführt.Im Erdgeschoss entsteht Raum für ein Café/ eine Bar und eine Selbsthilfewerkstatt.
Viel Platz für den alltäglichen Austausch bei gekühlten oder heißen Getränken für
alle Menschen.
In der Selbsthilfewerkstatt wird es einige Werkzeuge und die Möglichkeit geben,
Fahrräder und andere Sachen gemeinschaftlich und mit Hilfe anderer zu reparieren.
Selbsthilfewerkstätten sind für uns ein Ort der Selbstermächtigung und des
gemeinsamen Lernens, zu dem Menschen unabhängig ihrer finanziellen Mittel
Zugang haben.

Mögliche Nutzung:
– Bar bzw. Café
– öffentliches WC
– Vortragssaal
– offene (Fahrrad-) Werkstätten

Die oberen Etagen sind als inklusive und barrierearme Wohn- und Arbeitsplätze
angedacht. Auch Seminarräume und Nutzung durch Vereine und Initiativen des
öffentlichen Interesses ist angedacht.
Mögliche Nutzung:
– Teeküche
– Selbstorganisierte Wohnformen mit allen Generationen
– Ruheräume
– Räume zur Nutzung für Initiativen/Vereine/GruppenIm angrenzenden Garten soll ein Gemeinschaftsgarten entstehen. Außerdem können
die angrenzenden Kindergärten und Schulen den Garten auch als Schulgarten nutzen.
Somit wird ein Ort des Lernens geschaffen.

Mögliche Nutzung:
– Gemeinschaftsgarten
– Schulgarten
– Nistkästen für Bienen, Fledermäuse etc.
– Fahrradstellplätze
– Platz für künstlerische Betätigung
Im Keller wird sowohl Platz für Veranstaltungen wie Konzerte, Vorträge und
ähnliches als auch für Sportgruppen sein. Dadurch wird die Lautstärke gering
gehalten und die umliegende Nachbar*innenschaft nicht gestört. Bildungsarbeit wird
geleistet.

Mögliche Nutzung:
– Bühne/Konzertfläche
– Konzertsaal
– Vortragssaal
– Sportraum
– ProberäumeVerwaltungsmöglichkeiten

Wir wollen das Haus als hierarchiefreien, solidarischen Raum, dessen Nutzung und
Verwaltung selbstverwaltet und in freier Trägerschaft ist.
Zukünftiges
Sofern alle rechtlichen Angelegenheiten geklärt sind, werden wir uns um das Haus
kümmern. Die Bausubstanz wird geprüft und auftretende Mängel beseitigt, um
Sicherheit herzustellen. Wir setzen dabei vor allem auf solidarische, ehrenamtliche
Hilfe, werden aber, wenn es nötig ist, auch auf Fachpersonal zurückgreifen. Uns ist
die Beteiligung vieler Menschen wichtig.
Wir begreifen uns und das Haus als offenes Projekt, in dem soziale Kontakte
gepflegt, neues gelernt und sich untereinander geholfen werden kann. Ein
emanzipatorischer, solidarischer Ansatz für alle Menschen ist das Ziel. Das Haus ist
für uns und zukünftige Gäste und Bewohner*innen ein Freiraum, welcher dringend
gebraucht wird.

Wir sind in jedem Fall zu Verhandlungen bereit und würden uns freuen, Sie an der
Ludwigstraße 71 begrüßen zu dürfen.
Wir fordern die Stadt Leipzig dazu auf, bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen.
Dazu gehört, dass Immobilien, welche der Stadt gehören, nicht an private
Investor*innen verkauft werden und ehemalige Bestände wieder in den städtischen
Besitz zu bringen. Der Mietpreisdeckel soll weiter gesenkt werden. Außerdem sollen
die Bewohner*innen mitbestimmen dürfen, wie sich der Wohnungs- und
Häusermarkt entwickelt und wie die zukünftige Bebauung der Stadt aussieht.
Bestehende unkommerzielle Freiräume sollen erhalten bleiben und nicht etwaigen
Fitness- und Freizeitparks weichen müssen. Wir wollen, dass die Stadt Leipzig unser
Vorhaben unterstützt und dem Nutzungsvertrag für die Ludwigstraße 71 zustimmt.
Dieser Vertrag richtet sich nach dem Konzept von Leipzig besetzen.“

Quelle: https://leipzigbesetzen.noblogs.org/