Haus in der Tiefe Straße 3 in Leipzig besetzt – und geräumt.

„OOPS WE SQUATTED AGAIN!“ erschien um 15:48 Uhr auf dem Twitter Account von @leipzigbesetzen. Wenige Minuten später stehen schon gut hundert Unterstützer*innen vor dem Haus im der Tiefen Straße 3 im Leipziger Anger-Crottendorf. Inzwischen wurde eine Kundgebung vor dem Haus angemeldet.


„Heute, am 11. Juni 2021, haben wir das Haus in der Tiefe Straße 3 in Leipzig Anger-Crottendorf besetzt. Die Besetzung soll auf die Missstände der Wohnungspolitik aufmerksam machen und ein konstruktiver Gegenvorschlag sein. Das Objekt selbst soll zu kollektiviertem Wohn- und Kulturrraum werden. Wir sind ausdrücklich offen für Verhandlungen.“ lautet es in der Pressemitteilung der Besetzer*innen.

„Während Gentrifizierungsprozesse die Mieten immer weiter steigen lassen, Menschen aus ihren Kiezen an den Stadtrand verdrängt werden und saubere Hausfassaden wichtiger zu sein scheinen als schimmelfreie Wände, stehen Wohnhäuser, wie das von uns besetzte Gebäude, jahrelang als Spekulationsobjekte leer. Bis sie schließlich luxussaniert und die Wohneinheiten für Unsummen vermietet werden.“, erläutert Aaron von LeipzigBesetzen.

Zwischen 2013 und 2020 sei die durchschnittliche Gesamtmiete in Leipzig um 13,5 % gestiegen. „Der Anstieg bei den Angebotsmieten, also den Mieten für vergleichbare verfügbare Mietobjekte, betrug sogar 30,6 %. Mit durchschnittlich 37 % geben die Menschen in Leipzig mehr als ein Drittel ihres Nettoeinkommens für Miete aus. Gleichzeitig sind die Nettoeinkommen in der Stadt bundesweit mit am geringsten. Doch auch ohne Statistik ist offensichtlich, dass Viertel wie Connewitz, die Eisenbahnstraße, Reudnitz oder Anger-Crottendorf vor ein paar Jahren noch ganz anders ausgesehen haben. Alle können dem rasanten Verschwinden von Freiräumen, Grünflächen und Wohnhäusern zusehen und beobachten, wie an ihrer statt anonyme, blankgeputzte, teure „Wohn“-Gebäude auftauchen.“

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Die Entwicklung der Stadt wird aktuell nicht von den in ihr lebenden Menschen gestaltet, sondern von den kapitalistischen Zuständen des Wohnungsmarktes. Wohnraum darf jedoch keine Spekulations- und Geldanlage darstellen.

Für Samstag, den 12.06.2021 ist eine Nachbar*innenversammlung im Lene-Voigt-Park geplant um „mit den Anwohner*innen sowie Interessierten darüber zu sprechen, wie ein Nachbarschaftsprojekt und ein gemeinschaftliches Zusammenleben aussehen kann.“

Bereits am 21. August 2020 hatte die Gruppe ein Haus in der Ludwigstraße 71 besetzt und eine gut besuchte Nachbar*innenversammlung durchgeführt, an der auch Kommunalpolitiker*innen teilnahmen. Nachdem es anfangs so aussah, dass der Eigentümer einer Nutzung aufgeschlossen gegenüber steht, ließ er das Objekt jedoch räumen. Besetzer*innen wurden dabei nicht identifiziert. Aktuell versucht die Polizei die Eigentümerin über die Stadtverwaltung zu kontaktieren und herbeizuholen.

Update 01:20 Uhr:

Gegen 16:30 Uhr veröffentlichten die Besetzer*innen ein Nutzungskonzept, welches Proberäume, eine Projektwerkstatt, einen Treffort für Plena sowie Wohnräume als Nutzungsmöglichkeiten in den Raum stellte.

Gegen 20:50 Uhr gaben die Besetzer*innen die mutmaßliche Eigentümer*in bekannt, welche im Laufe des Abends die Inhalte ihrer Webseite geändert haben soll:

Die Kundgebungsteilnehmer*innen verteilten sich, anlässlich Räumungsgerüchten, um den gesamten Block. Um 22:20 Uhr wurde die Kundgebung vor dem Haus beendet. Die Zahl der Versammlungsteilnehmer*innen schwankte stark – lag teilweise bei bis zu 200 Peronen. Neben KüFa (Küche für Alle) und einem Infostand gab es auch ein Live-Konzert.

Punkt 23 Uhr wurden zwei Personen von der Polizei, über den Hinterhof, aus dem Haus geführt. Damit dauerte die Besetzung sieben Stunden und zwölf Minuten. 

Für die festgenommenen Personen gab es eine Kundgebung vor der Gefangenensammelstelle in der Dimitroffstraße. Um 01:05 Uhr wurde die letzte Person „unter großem Jubel“ entlassen.

Die Pressestelle der Polizei war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für ein Abschlussstatement erreichbar. / MS

Weitere Informationen: https://twitter.com/leipzigbesetzen