Antifaschistische Flugabwehr? Nüchterne Beobachtung von Flugbewegungen über Connewitz

Subjektiv vermehrte Hubschraubereinsätze über Leipzig haben es vom Unmut in den Sozialen Medien über die lokale Presse bis in die Parlamente geschafft. Während mittels einer kleinen Anfrage (Drucksache 7/2731) die Flüge sächsischer Behörden aufgelistet wurden, lautete es kürzlich in einer Anfrage (Drucksache 19/21396) zu den Flügen von Bundesbehörden schlicht: „Die Bundespolizei führt keine Statistik über an Einsatzorten eingesetzte Hubschrauber. Ebenso dokumentieren die statistisch auswertbaren Flugbetriebsaufzeichnungen des Bundespolizei-Flugdienstes nicht die überflogenen Gemeinden, sondern lediglich Start- und Landeorte.“ 

Wir sprachen mit Mati von den Aviation Friends Connewitz (AFC) ihr Projekt. Hier weiß man mehr als es Abgeordneten des Bundestages zugestanden wird. 

Wer seid Ihr?

Wir sind das TTY Kollektiv. Das steht für Teletext TYpewriter. Wir haben uns schon in den 90ern, zu Amiga Zeiten, mit Datenverarbeitung, Modem, Morsen, Funk, etc. beschäftigt. Bislang waren wir aber nie öffentlich unterwegs.

Daraus ist eine kleinere Gruppe, besser ein Projekt, namens Aviation Friends Connewitz (AFC) entstanden. Das sind Menschen die in Connewitz oder der Südvorstadt aufgewachsen sind, meist irgendwo studiert und sich dennoch nie aus den Augen verloren haben.

Wir sind alle in IT Bereichen tätig, lieben das Basteln und technische Projekte. Wir interessieren uns für neue Technologien, testen, schrauben, löten – immer mit einem Auge auf die Bereiche Open Source, Open Data etc..

Was macht ihr im AFC Projekt genau?

Aviation bedeutet alles was mit Flugbeobachtung, Flugthemen zu tun hat. Das ist ein Thema an dem wir im Grunde auch schon seit Jahren arbeiten. Sei es jetzt Technik, Flugtechnik und alles was drumherum geschieht. Was kommt wie, woher, wann, warum? Was verändert sich? Wie sieht es aus? Das sind Themen die uns interessieren und denen wir nachgehen. Das AFC Projekt, die Abkürzung für Aviation Friends Connewitz, ist als notwenige Außendarstellung entstanden – wir mußten quasi raus an die Öffentlichkeit. 

Aber den Twitter Account @afconnewitz und die damit verbundene Öffentlichkeit gibt es erst seit Juni diesen Jahres. Das ist noch relativ jung. Da drängt sich die Frage auf warum ihr das macht.

Weil die Frequenz von bestimmten Flugbewegungen in Connewitz zugenommen hat. Bewohnerinnen und Bewohnern hier im Viertel diskutierten zwar online und auf der Straße – jedoch war die ganze Thematik nicht richtig messbar und darstellbar für Dritte. Man hat auch gemerkt, dass in dieser Diskussion sehr viel Emotionen mitschwingen. Das drückte sich nicht zuletzt über Kommentare und Memes in den sozialen Medien aus. Es wurde ein Problem markiert, das sich nicht ausschließlich mit emotionalem Engagement lösen ließ – es fehlten belastbare Informationen.

Das Sammeln der Informationen hatten wir ja schon vor Diskussion begonnen. Anlässlich der Diskussion haben wir uns gesagt: Ok – das müssen wir hier in irgendeiner Form mal zusammenführen und darstellbar machen. So, dass für die Bewohner und Bewohnerinnen klar wird, was hier wirklich im Flugraum passiert. Also ein Service der über den Radar, also lediglich das was grade im Moment im Luftraum passiert, hinausgeht. Dazu gehört  Flugverläufe aufzuzeichnen, auszuwerten und dies der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Valide, öffentlich zugängliche Informationen für eine Diskussionsgrundlage. Mehr sollte es eigentlich nicht sein. 

Dazu kam dann noch ein Telegram Bot, der Flüge rund um Connewitz in Echtzeit abgibt, Reports generiert und in einem Channel bereitstellt. In den Reports werden Fragen behandelt wie: Was hat sich letzten Monat verändert? Was ist anders? Was hat sich hier bewegt?

Damit haben wir lediglich auf einen Bedarf reagiert. Wohin die Reise geht ist uns noch völlig unklar.

Neben dem Unmut über Hubschrauberflüge in sozialen Medien gab es ein Ping Pong in der Presse sowie kleine Anfragen auf Landes- und Bundesebene – habt ihr die mitbekommen?

Klar haben wir das mitbekommen. Wir haben versucht abzulesen wie das in anderen Bundesländern gehandhabt wird. Es gibt auch andere Bundesländer und Städte die ähnliche Probleme haben, nicht nur in Leipzig. Mit den Antworten die gekommen sind, sind wir allerdings nicht zufrieden. Das muß mit Daten die bereitgestellt werden noch unterfüttert werden. Da ist noch Luft nach oben.

Wie ist es dazu gekommen was ihr macht?

Das ist einfaches Interesse an der Technik. Sachen bauen, herstellen, Infrastruktur bereitstellen, die in Betrieb halten und Daten zur Verfügung stellen. Das machen wir seit den 90ern – einen greifbaren Nutzen für eine breitere Öffentlichkeit hat es nur bislang nicht gegeben. 

Perspektivisch wäre es vorstellbar das für andere Städte und Interessengruppen nutzbar zu machen. Düsseldorf, Bonn, Nürnberg und Hamburg. Es sind ja nicht nur die Behörden in Connewitz sondern auch Veränderungen im Luftfrachtverkehr was jetzt am BER in Berlin passiert. Die Technik könnte auch genutzt werden um Bürgerinitiativen zu helfen. 

In Markkleeberg gibt es jetzt beispielsweise einen Verein der sich engagiert, weil die Flugkurve umgesetzt werden soll. Da gibts die Deutsche Flugsicherung die das umstellen will und die Bürgerbewegung dagegen welche das anders haben möchte. Da wird die Diskussion dann auch schonmal ohne Fakten geführt.

Wie kann ich mir das als technischer Laie vorstellen was ihr da macht? Stehen da irgendwo spezielle Antennen rum und hängen an Programmen die ihr geschrieben habt? 

Das wird relativ technisch. Die Daten die Fluggeräte abgeben müssen, für die Flugsicherheit, um das Radar zu entlasten – die Daten sammeln wir und sammeln auch andere. Dafür gibts auch professionelle Provider mit Apps wie Flightradar24, Radarbox oder andere Provider wo man sich eine Art Flugradar auf den Rechner oder das Telefon holen kann. In der Regel haben Nutzerinnen und Nutzer damit nur eine Echtzeitansicht. Das was wir tun mit diesen Daten ist, dass wir sie in Zeitreihen sammeln und auswerten. Dazu haben wir so Data-Mining Geschichten gebaut/entwickelt. Also Datenhaltung, Datenkonsolidierung, Abfrage, Reporting – also die Datenstrecken für die Analyse. Das was dahinten raus fällt.

Dazu kommt noch die Infrastruktur die das ganze hält und speichert. Wir sind jetzt schon Bereich von mehreren Millionen Datensätzen die wir haben. Die müssen natürlich auch performant (Anm. d. Redaktion: leistungsfähig, gut funktionierend) gespeichert und verarbeitet werden. 

Technisch ist das so, dass Flugzeuge die Daten im Megahertz Bereich absenden. Dort kann man sich mit sogenannten SDR, also Software Defined Radio, Equipment am Rechner eine Antenne ins Wohnzimmer stellen und diese Daten empfangen, decodieren und diese in einen Feeder einspeisen. Die Daten können auch zu Providern gesendet werden, die einem ein Premiumaccount zur Verfügung stellen. Damit gibt man allerdings die Datenhoheit ab und es wird gefiltert – was wir nicht tun. Ingesamt sind wir auf mehrere Standorte angewiesen, damit wir nicht nur einen haben – dazu haben wir ein Netzwerk um mehrfach, redundant Daten zu erhalten und aussortieren können. Damit uns kein Flug entgeht. Die Range ist abhängig von der Sendeleistung des Flugzeugs und liegt in der Regel bei 250 bis 300 Kilometern Umkreis, also die Entfernung welche ein Flugzeug die Daten senden kann.

Am Empfang kann dann optimiert werden. Neben dem Wohnzimmer gibt es Standorte im Freien wie dem Garten, einer Garage oder auf dem Dach beim Nachbarn. Die Kosten für so einen Feeder – es geht am einfachsten mit einem kleinen Raspberry – da reicht ein Raspberry 1, 2 am besten ist 3er, mit W-Lan, da braucht man keine Kabel ziehen. Da sind wir so bei 30 bis 40 Euro plus die SDR Antennentechnik, kann man im Netz fertig als Set für 20 Euro bestellen, also insgesamt 50 Euro. Im Jahr sind das dann noch einmal 20 bis 30 Euro Stromkosten – und dann gehen die Daten irgendwo hin. 

Bezogen auf die Antwort zur Bundestagsanfrage bedeutet das für Connewitz?

Im Gegensatz zur Bundesregierung wissen wir wann die Bundespolizei über Connewitz fliegt, zudem um welchen Bundespolizei-Flugdienst es sich dabei handelt.

Vielleicht liefert das die Grundlage für präzisere Fragen nach den Gründen. Zumindest sollten die Maschinen nicht ohne Grund quer durch die Republik nach Connewitz anreisen – wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

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