Pressefreiheit in Gefahr? Immobilienfirma United Capital geht juristisch gegen ehrenamtliche Hochschulzeitung luhze vor

Nachdem wir über die Praktiken des Immobilienunternehmens United Capital auf dem Leipziger Wohnungsmarkt berichtet haben, geht dieses gerichtlich gegen uns vor. Am 21. Januar 2022 entscheidet das Landgericht Leipzig im Rahmen einer mündlichen Verhandlung im einstweiligen Verfügungsverfahren, ob wir die betroffenen Passagen eines Artikels zurücknehmen müssen.

Anlass unserer Berichterstattung war, dass Bewohner*innen der Harnackstraße 10 in Leipzig, die sich zu einer Initiative zusammengeschlossen haben, gemeinsam gegen die Methoden der United Capital vorgehen wollen. Kevin Rader und Sven Schwarzat, Geschäftsführer der United Capital, bauen Wohnungen in dem Haus um und vermieten sie als WG-Zimmer für bis zu 18 Euro pro Quadratmeter an Studierende. Im Vorfeld des Artikels haben wir sowohl mit den Bewohner*innen als auch mit der Leitung von United Capital gesprochen.

United Capital bestreitet die Aussagen der von uns zitierten Mieter*innen. Das ist ihr gutes Recht. Aber statt die Vorwürfe durch Aufklärung zu beseitigen, legt man uns die zitierten Aussagen als eigene in den Mund. Zueigenmachen heißt das juristisch. Tatsächlich achten wir Journalist*innen stets darauf, dass Aussagen von Dritten auch als solche wahrgenommen werden (beispielsweise durch indirekte Rede oder den Konjunktiv). So haben wir es in dem Artikel getan. Dass United Capital die Vorwürfe der Mieter*innen als solche darstellt, die unsere Zeitung selbst erhoben hat, können wir uns nur damit erklären, dass unliebsame Berichterstattung mit allen Mitteln verhindert werden soll. Finanziell sitzt die United Capital jedenfalls am längeren Hebel. Im Übrigen liegt uns eine Vielzahl von Quellen für die im Artikel wiedergegebenen Aussagen der Mieter*innen vor.

United Capital fordert von uns, die betroffenen Passagen aus dem Artikel zu nehmen und deren Verbreitung zu stoppen. Der Artikel ist weiterhin öffentlich in der Print-Ausgabe oder in der PDF- Version online zu lesen (Seite 5).

Luhze e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich ausschließlich durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und Anzeigen in unserer Zeitung sowie auf unserer Website finanziert. Die herausgegebene Zeitung luhze ist unabhängig, alle Redaktionsmitglieder engagieren sich ehrenamtlich dafür, dass Leipzigs Studierende über alle wichtigen Themen rund um das Hochschulleben und die Stadt informiert werden. Zudem ist luhze ein relevantes Ausbildungsmedium für angehende Journalist*innen in Leipzig. Der Rechtsstreit mit United Capital könnte das Ende dieser Zeitung bedeuten.

Falls das Landgericht Leipzig zu dem Ergebnis kommen sollte, dass unsere Berichterstattung das Unternehmenspersönlichkeitsrecht von United Capital verletzt und somit unterlassen werden muss, sehen wir nicht nur das Bestehen unserer Zeitung, sondern auch die Pressefreiheit generell in Gefahr.

Denn es würde journalistische Arbeit und insbesondere die Berichterstattung über Missstände erheblich erschweren, wenn von Dritten geäußerte Vorwürfe nur noch unter der Gefahr geäußert werden könnten, dass finanzstarke Unternehmen bei unliebsamer Berichterstattung potenziell existenzgefährdende Ansprüche stellen. Kleine journalistische Projekte wie unseres hätten unter diesen Umständen kaum noch Möglichkeiten der Berichterstattung.

Die öffentliche Verhandlung am Landgericht Leipzig findet am 21. Januar 2022 um 11 Uhr im Sitzungssaal 8 statt. Das gerichtliche Aktenzeichen lautet wie folgt: 08 O 1/22 EV

Pressemitteilung: »Luhze e. V.«
Foto: la-presse.org