Am 21.11.2022 wurde im Amtsgericht Leipzig die Hausbesetzung der Ludwigstraße 71 im August 2020 verhandelt. Am zweiten Verhandlungstag wurde statt zu einer Kundgebung zur Prozessbegleitung im Gerichtssaal aufgerufen, welchem circa 20 Personen folgten. Zwei Personen wurden wegen Hausfriedensbruch zu 30 Tagessätzen á 14€ verurteilt.
Die Ludwigstraße 71 (Luwi71) nähe der Eisenbahnstraße im Leipziger Osten wurde im August 2020 für fast zwei Wochen besetzt. In der Zeit der Besetzung gab es eine breite Form der Selbstorganisation vor dem Haus: Es wurde gemeinsam gekocht und gegessen, Nachbar:innenversammlungen etabliert, ein Nutzungskonzept für das Haus erarbeitet und politische Veranstaltungen organisiert. Nach der ersten Zeit der Corona-Pandemie war die Luwi71 ein Ort für Vernetzung, Austausch und Begegnungen. Sam Höffner, selbst vor dem Haus dabei gewesen, findet hierfür folgende Worte: „Der unkommerzielle Freiraum hat uns allen so viel gegeben. Hier konnten wir uns ohne aufgedrückte Regeln und Normen selbst organisieren und aushandeln, wie wir miteinander leben und umgehen wollen und dies direkt in die Tat umsetzen. Dieser Ort wurde nach unseren Bedürfnissen gestaltet und es sind Stimmen zu Wort gekommen, die sonst von der profitorientierten Stadtplanung nicht berücksichtigt werden. Hier wurde Utopie als Alternative zur kapitalistischen Gesellschaft gelebt. Es war somit mehr als ein Ort des sozialen Austauschs, auch wenn das nach dem Lock-Down ein mehr als notwendiger und schöner Beieffekt war.“
Die Luwi71 wurde am 02.09.22 von einem Großaufgebot der Polizei geräumt, jedoch keine Menschen im Haus aufgefunden. Die heute verurteilten Personen wurden lediglich in der Nähe des Hauses aufgegriffen und auf der Dimitroffwache einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. Außerdem wurde nach richterlichem Beschluss die DNA entnommen.
Im Fall der Luwi71 zeigt sich ein großes ermittlerisches Interesse der Polizei, die sich auf akribische Spurenuntersuchung, -sicherung und -auswertung gemacht hat, um letztlich die beiden angeklagten Personen verurteilen zu können. „Ich frage mich wirklich was die Kriminalisierung von Hausbesetzungen soll. Wenn Wälder für Autobahnen oder ganze Dörfer für den Braunkohleabbau enteignet werden, scheint das für den Staat okay zu sein. Aber wenn es um leerstehende Häuser geht, wird der Begriff Eigentum wieder anders definiert. Vergleicht man beides, zeigt sich: Hauptsache die wirtschaftlichen Interessen kommen durch, Hauptsache Profit kommt bei raus.“ – so eine Person nach dem Prozess vor dem Amtsgericht.
Darauf gingen auch die Angeklagten in ihrem letzten Wort im Gerichtssaal ein und betonten, dass es ein Unding ist, leere Häuser verkommen zu lassen: „Wir finden es absurd, dass wir alle hier sitzen und uns über Eigentum unterhalten müssen, wenn es gleichzeitig viel dringendere Themen zu verhandeln gibt. Würden wir ein Bruchteil der Zeit hier in andere sinnvollere Sachen stecken, wäre uns allen mehr geholfen.“ Später wurde außerdem Folgendes herausgestellt: „Der Staat mit seinen Staatsanwält*innen und Sicherheitsbehörden hat erneut seine Aufgabe in der Unterdrückung unserer aller Leben ausgeführt. Indem das Eigentumsrecht entgegen jeglicher moralischer oder demokratischer Logik gewaltvoll durchgesetzt wurde, senden sie ein Signal an alle Menschen, die versuchen ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich die Dreistigkeit rausnehmen, sich nicht der kapitalistischen Maschinerie zu unterwerfen. Wenn du es wagst leeren Wohnraum wiederzubeleben, wirst du bestraft.“
Nach jetzigen Stand ist es noch unsicher, ob in Berufung gegangen wird oder nicht.
PM @leipzigbesetzen