„Auf Fusion von Durstexpress und Flaschenpost folgt Massenentlassung – Kundgebung am 28.01. angekündigt
Vor gut einer Woche wurde den Beschäftigten des Durstexpress-Standortes in Leipzig per E-Mail mitgeteilt, dass ihr Betrieb sowie dazugehörige Arbeitsplätze nach der Fusion mit Flaschenpost erhalten bleiben. 49 Minuten später erhielten die Beschäftigten eine zweite E-Mail: Der Standort wurde „nach objektiven Kriterien analysiert“ und es wurde bekannt gegeben, dass das Durstexpress-Lager am Standort Leipzig geschlossen wird. Mitarbeiter*innen könnten sich aber bei Flaschenpost bewerben und würden dort „priorisiert behandelt“ werden. Als Stichtag geriet schnell der 28.02 im Umlauf, der sich gestern, mit dem Erhalt der ersten Kündigungsschreiben an Kolleg*innen, bestätigt hat.
Soziale Verantwortung, in der immer noch bestehenden Corona-Pandemie, lässt die Oetker-Gruppe schmerzlich vermissen. Erst im November hatte sie für rund 1 Milliarde Euro den Konkurrenten Flaschenpost aufgekauft. Diesen Kauf scheint sie nun mit der Entlassung hunderter Mitarbeiter*innen, die diesen Kauf erst möglich gemacht haben, auszugleichen. Für uns ein unhaltbarer Zustand! Deswegen fordern wir einen geregelten Betriebsübergang nach §613a, was die Fortführung aller bereits gekündigten Arbeitsverträge beinhaltet, und rufen dazu auf, mit uns am 28.02 vor das Betriebsgelände der Flaschenpost Leipzig zu ziehen um diese einzufordern!
Eine Garantie, bei Flaschenpost auch eingestellt zu werden, gibt es nämlich nicht. Ersten Kolleg*innen in Vollzeitanstellung wurden bereits eine Absage auf ihre Bewerbungen erteilt. Was keine Überraschung für uns darstellt, so analysierte schon Günther Guder vom Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels über Flaschenpost, dass vorwiegend 450-Euro-Kräfte in der noch relativ neuen Lieferbranche eingesetzt werden um einen Wettbewerbsvorteil zu haben.
Vollzeitmitarbeiter*innen sind ein unnötiger Kostenfaktor in der Struktur von Durstexpress, der nun behoben werden kann.
Der Bruttoverdienst bei Flaschenpost liegt übrigens bei etwa 10,70€/h in der Probezeit und bei etwa 11,50€/h nach der Probezeit. Zwar wird den Fahrer*innen versichert, dass sie sofort ohne Probezeit eingestellt werden würden, dennoch wurde einigen Fahrer*innen ein Bruttoverdienst von etwa 10,70€/h angeboten. Für Vollzeitfahrer heißt das also fürs Erste etwa 3€, und für Teilzeitfahrer etwa 2€, unter dem bisherigen Verdienst. Ein Bonussystem ermöglicht zügigen Zusteller*innen bei Flaschenpost einen höheren Verdienst. Allerdings sei es eher vom Zufall und von der Auslastung abhängig, ob man den Bonus erhalte.
Wie sieht es bei den Lagerist*innen aus?
Schlecht. Die aktuelle Lohntabelle sagt, es gäbe 10€/h. Das sind 50ct/h weniger als bisher. Im Jahr 2022, nach 2 Jahren Betriebszugehörigkeit, gibt es 10,50€/h. Den bisherigen Verdienst bei Durstexpress. 2022 ist auch die Erhöhung des Mindestlohns auf 10,44€/h vorgesehen. D.h. dass dann Lagerist*innen 6ct über dem Mindestlohn verdienen werden.
Das als eine Lohnerhöhung in Aussicht zu stellen, obwohl man diese ohnehin rein gesetzlich in Aussicht hat, ist eine Frechheit.
Begründet werden diese Werksschließungen mit der Aussage „Die umfassende Analyse der Lage und Infrastruktur eures Durstexpress-Lagers hat hierbei leider ergeben, dass dieses hinsichtlich Lage und Infrastruktur im Vergleich zum Nachbarlager der flaschenpost schlechter abschneidet und weniger Potenzial für die Zukunft bietet.“ Tatsächlich aber sollte die schlankere und effizientere Geschäftsstruktur der Flaschenpost SE mit ihren geringen Lohnkosten für ihre Beschäftigten eine wesentliche Rolle dabei gespielt haben, die Arbeitsverträge der gut über 400 Mitarbeiter*innen des oben genannten Durstexpress-Standorts, sowie hunderten weiteren Beschäftigten an den Standorten Berlin-Teilestrasse, Berlin-Hohenschönhausen und Bochum, zu kündigen.
Laut FAU-Gewerkschaftssprecher Sören Winter kein Zufall: „In Berlin wurde auch eine Betriebsratswahl auf der Teilestraße auf den Weg gebracht. Genau dieser Standort wird nun aufgrund der Fusion geschlossen. Obwohl noch nicht einmal ganz Berlin von Flaschenpost und Durstexpress als Liefergebiet abgedeckt sind.“
Gerade jetzt, wo im Berliner und Leipziger Standort und nach neuesten Entwicklungen auch an anderen Standorten wie Dresden Betriebsratswahlen auf den Weg gebracht wurden und im Leipziger Standort eine starke FAU Betriebsgruppe gewachsen ist, müssen diese Hubs schließen. Dieser Fortschritt, der eine Besserung der Arbeitnehmer*innenrechte zur Folge hätte, würde nun zunichte gemacht werden.
Nachdem die gewerkschaftliche Aktivität der FAU bis jetzt am Standort Leipzig behindert wurde, zeigt sich die Schichtleitung des Standortes, mit dem drohenden Verlust ihrer eigenen Arbeitsplätze, nun einsichtig und lässt uns freie Hand, was die gewerkschaftliche Organisation innerhalb des Betriebes angeht. Eine späte Einsicht. Anstatt existierende Arbeitnehmer*innenrechte wie den §613a, der den Betriebsübergang regelt, zu verteidigen und durchzusetzen, muss nun im Eilverfahren ein Betriebsrat gegründet werden um eventuell eine Werksschließung doch noch zu verzögern und die bestehenden Arbeitsverträge zur Flaschenpost SE zu überführen. Wir wollen und dürfen diese späte Einsicht nicht ungenutzt lassen und rufen deswegen auf, sich an der Demo am 28.02 um 10 Uhr an der Pelzgasse 1-3 vor dem Flaschenpost Hub zu beteiligen.“