Die Leipziger Journalistin Kili Weber verfolgt das Demonstrationsgeschehen in Sachsen. Ihr Twitterprofil existiert seit Oktober 2021 und hat inzwischen über 5.000 Followerinnen. Wir sprachen mit ihr über ihre Arbeit und warum die, grade außerhalb von Leipzig, nur noch mit Begleitschutz möglich ist.
Wie kommst du zu deiner Arbeit – beziehungsweise warum machst du das?
Ich finde es wichtig rechtsradiakale Demonstrationen zu dokumentieren, weil sie in der öffentichen Wahrnehmung meist verschwinden. Besonders in der Sächsischen Provinz bekommt man selten etwas vom Protestgeschehen mit. Dabei sind dort oft rechtsradikale Akteure dabei, die auch bundesweit vernetzt sind. Dadurch bekommt das eine bundesweite Relevanz.
Kannst du eine besondere Entwicklung feststellen, seitdem Du auf der Straße bist?
Im Sommer waren es eher ältere Personen auf der Straße. Seit ein paar Wochen beobachte ich vermehrt jüngere Menschen – sportliche, kampfsporterfahrene Nazis.
Das Phänomen konnte ich schon letztes Jahr beobachten. Mit der Dunkelheit stieg die aggressive Stimmung. Als die Maßnahmen gelockert wurden, die Stimmung nicht mehr so aufgeheizt war, verschwanden auch die sportlichen Nazis.
Du beziehst dich auf die Coronaproteste? Siehst du nun beim Thema Russland die gleichen Menschen auf der Straße?
Genau. Das ist ein und dasselbe Milieu. Denen geht es nicht um Corona oder jetzt Gas. Die wollen den Sturz dieses Systems und suchen sich beliebig Themen aus um Menschen zu radikalisieren.
Du bist immer mit Begleitschutz unterwegs. Was steckt dahinter?
Ich hatte in meiner Anfangszeit keinen Begleitschutz. Inzwischen ist das für mich zu gefährlich. Es kommt auf fast jeder Demonstration zu Angriffen. In fast jeder lokalen rechten Chatgruppe finden sich Bilder von mir. Es gab Morddrohungen – auch in Form eines Graffito. Ich bin als Feindbild markiert und viele Nazis haben sich auf mich eingeschossen. Eine freie Berichterstattung ist ohne Begleitschutz nicht mehr möglich.
Pressefreiheit ist Kraft Grundgesetz geschützt. Bekommst du davon etwas mit?
Als wir am Montag (10.10.2022) in Wurzen waren, wurden wir bedrängt und standen direkt vor einem Polizeifahrzeug. Obwohl mein Begleitschutz mehrfach körperlich angegriffen wurde reagierten die Beamten zunächst nicht. Nach einer zögerlichen Intervention der Polizei entschieden wir uns zum Abbruch unserer Arbeit, da auch die zwischenzeitlich eingetroffene polizeiliche Verstärkung aus Leipzig wieder weggeschickt wurde. Auf dem Weg zum Auto wurden wir dann von einer Gruppe Nazis gejagt.
Besonders im Leipziger Umland ist es kompliziert. Wenn wir uns vorab an die Pressestelle wenden, versucht diese Teams zu organisieren, die für unseren Schutz sorgen. Das scheitert aber oft an einzelnen, lokalen Akteuren. In Eilenburg weigerte sich die Einsatzleitung, uns Beamte zuzuteilen, die extra für uns eingesetzt wurden. Der Beamte erklärte, dass „meine Eilenburger friedlich“ wären. Den vorherigen und den anschließenden Angriff auf uns konnte er sich dann nicht erklären.
In Leipzig gab es zahlreiche Gespräche zwischen Presse und Polizei. Nach unserer Meinung hat sich hier in den letzten Monaten was verändert. Wenn wir uns nicht selbst melden, werden wir proaktiv angesprochen und auf Gefahren hingewiesen.
In Leipzig klappt das tatsächlich ganz gut. Ich werde ebenfalls proaktiv angesprochen und Beamtinnen werden bei Bedarf zu unserem Schutz abgestellt. Das Problem bezieht sich eher auf das Leipziger Umland. Je weiter weg, desto schlimmer. Teils weigern sich Beamte Anzeigen aufzunehmen. Da heißt es lapidar „Gehen Sie aufs Revier“ während Täter unbehelligt weiterlaufen.
Was würdest Du dir von etablierten Medien wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass die Proteste nicht verharmlost werden. Das fing an mit „Protesten gegen die Coronamaßnahmen“ oder nun „Energieproteste“, was aus meiner Perspektive nicht stimmt. Das sind Rechtsradikale, die den Umsturz der Regierung wollen. Das sind keine besorgten Bürger. Viele Medienhäuser scheinen noch beim Bild des Nazis aus den 90ern festzuhängen. Eine Glatze, die mit Springerstiefeln und Bomberjacke auf die Demo geht. Rechts macht ja nicht das Erscheinungsbild, sondern die Ideologie. Eine faschistische Oma in Daunenjacke bleibt eine Faschistin. Es mus erkannt werden, dass es sich um keine besorgte Bürgerin handelt.
Meinst Du, dass es als Frau nochmal schwieriger ist den Beruf auszuüben?
Männliche Kollegen meinten mal, dass sie in Ruhe arbeiten können, wenn ich auf einer Demo bin. Einer meinte: „Die gehen nur auch dich los und lassen uns in Ruhe“. Ich werde angegriffen, weil ich mehrfach marginalisiert bin und trotzdem als Journalistin auf der Straße stehe.
Wie kann man Deine Arbeit unterstützen?
Kosten für die Berichterstattung und Begleitschutz sind spendenfinanziert. Links finden sich auf unseren Social Media Profilen.
Hinweis der Redaktion:
Auf Anfrage von la-presse an die Polizeidirektion Leipzig räumt diese zum Einsatz am 10.10.2022 in Wurzen ein: „Die zugewiesenen Kräfte [aus Leipzig] wurden durch die lokale Einsatzleitung [in Wurzen] aufgrund deren Erfahrungen des Demonstrationsgeschehens des vorherigen Montages für einen anderen Auftrag innerhalb des Einsatzes eingesetzt. Dies entsprach aber nicht der durch die Polizeidirektion Leipzig angedachten Intention. Grund hier ist ein Informationsverlust auf dem Kommunikationsweg, so dass der Hintergrund der Kräfteverstärkung nicht vollständig bei der für Wurzen verantwortlichen lokalen Einsatzleitung ankam. […]
Videosequenzen auf Twitter, welches die Aktionen eines Mannes gegenüber dem Begleitschutz und der Journalistin zeigen, wurden durch die Kriminalpolizeiinspektion gesichert und ein Strafverfahren wegen Bedrohung und versuchter Körperverletzung von Amts wegen eingeleitet.“ MS TP