Tag der Migrantinnen und Migranten – Banner unter Protest

Spoantan fanden sich heute Mittag ca. 20 Personen zum Protest gegen ein Banner am Leipziger Rathaus ein. Kritisiert wurde, neben der Hissung des Banners, in den Redebeiträgen auch das Handeln der Behörden und dem Rathaus selbst.

Bereits bevor heute das Banner »Wir sind alle Migranten«, anlässlich des »18. Dezember – Internationaler Tag der Migrantinnen und Migranten« am Leipziger Rathaus gehisst wurde, gab es auf la-presse.org Kritik an der Aktion. »Wir sind nicht alle Migranten. Falsche Botschaft und Symbolpolitik« titelte auch das Stadtmagazin kreuzer zu der heutigen Bannerhissung.

Der Redebeitrag von Anna aus Osteuropa fasst die Kritik der Kundgebung gut zusammen und soll, laut den Organisator*innen »zum Reflektieren über die eigenen Privilegien« anregen:

„Wir sind alle Migranten“, schrieben die Deutschen auf das deutsche Rathaus, in dem es Pflicht ist, Deutsch zu sprechen. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Was für eine einfache Geste. Wie billig. Diese Geste lässt euch einschlafen. Sie gibt euch ein gutes Gefühl. Es erlaubt euch, euch als „gute Menschen“ zu betrachten. Wisst ihr, was eine wirkliche Herausforderung wäre? Die wirkliche Herausforderung wäre zu sagen: „Wir sind alle Rassist*innen“. Denn der Rassismus, von dem Migrant*innen in Deutschland betroffen sind, ist unsere absolute Alltagsrealität. Es ist so einfach, sich mit den Opfern, den Geschädigten, den Beherrschten zu identifizieren, wenn man selbst Täter:in, Privilegierte:r, Beherrscher:in ist. Dann müsst ihr euch nicht mit euch selbst, mit eurer eigenen Gemeinschaft und euren eigenen Privilegien auseinandersetzen. Ihr könnt weiterhin so tun, als hättet ihr sie nicht.

Liebe Deutsche! Auch ihr: liebe, liberale, pro-demokratische, gute Menschen! Nur in Deutschland, mit euren Millionen kleiner Gesten, euren Andeutungen, eurem Lächeln, euren Kommentaren, eurer Herablassung und eurer Bevormundung, mit eurer überlegenen Besorgnis, euren Belehrungen und sogar euren Zurechtweisungen, mit der Tatsache, dass ihr uns entweder wie Kinder behandelt oder als Kriminelle, wegen den beschissenen Arbeitsbedingungen, die ihr uns anbietet, wegen den beschissenen Jobs, die wir für euch machen und wegen den Löhnen, die  niedriger sind als die, die ihr den Deutschen gebt, wegen eurer Überzeugung, dass euer Land, eure Kultur, eure Bildung (ah, die deutsche Bildung! ) einfach BESSER ist – nur in Deutschland habe ich mich zweitklassig gefühlt. Ich habe mich erst dann als Migrantin betrachtet, als ich ausnahmslos von allen deutschen staatlichen und administrativen Stellen als solche behandelt wurde. Jetzt trage ich diese Identität mit Stolz. Die Identität einer Migrantin. Weil es die Identität eines Überlebenden ist. Als Deutsche habt ihr keine Ahnung, wie diese Erfahrung aussieht. Schlimmer noch, ihr selbst schafft die Bedingungen, unter denen ich und Millionen andere versuchen zu überleben. Das liegt nicht daran, dass ihr schlechte Absichten habt. Viele von euch haben die bestmöglichen. Aber das liegt daran, dass ihr euch nicht darum bemüht, euren Alltag ein wenig offener für Migrant:innen zu gestalten. Anstatt euch also mit der Einstellung „wir sind alle Migranten“ zu betrachten, solltet ihr in den Spiegel schauen und Ihre Privilegien erkennen. Anstatt künstlich Ähnlichkeiten zu schaffen, um unsere Unterordnung und Ihre Gewalt zu verbergen, solltet ihr beides anerkennen.

/MS