Keine drei Jahre ist es her, da gab es auf Initiative von Stadträten diverser Leipziger Ortsteile erstmals in der Geschichte des Leipziger Stadtrates eine Sondersitzung zum Thema Fluglärm – mit vollen Besucherrängen im Rathaussaal, denn offensichtlich war nicht nur in 2021 die Mehrheit der Leipziger gegen einen Ausbau des Frachtflughafens 1. Ein entsprechender Stadtratsbeschluss vom 3. April 2019 verpflichtete den OBM der Stadt Leipzig dann auch nicht nur zur direkten Teilnahme an den Sitzungen der Fluglärmkommission, nein, er sollte sich gleichzeitig um den Vorsitz in der Fluglärmkommission bemühen. Das es dann ein Herr Steffen Schwalbe (Bürgermeister der 5.000 Seelen-Gemeinde Rackwitz und nicht gerade bekannt durch bahnbrechende Fluglärmschutz-Anträge) wurde, steht auf einem anderen Blatt und war sicherlich seitens der Landesregierung auch so erhofft/gewollt. Denn der Vorsitz ausgerechnet durch einen Vertreter jener Stadt, in welcher en bloc die meisten Menschen vom Fluglärm betroffen sind passte nicht ins demokratische Selbstverständnis Sachsens und zu den wirtschaftlichen Interessen des Global Players DHL. Umso wichtiger dann aber persönliche Präsenz des Stadtoberhauptes, auch um zu dokumentieren, wie wichtig der Stadt Leipzig die betroffenen Menschen und der Klimaschutz, auch im lokalen Bereich, sind.
Wie aus einer Beschlussvorlage der Verwaltung unter Federführung des Amtes für Umweltschutz und in Absprache mit dem OBM hervorgeht, soll dies nun rückgängig gemacht werden. Es stellt sich somit die Frage, warum will Herr Jung die direkte Vertretung abgeben? Zeitmangel und/oder Desinteresse am Schicksal 100.000 betroffener Bürger seiner Stadt? Bei 44 diversen nebenamtlichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie Vizepräsidentschaft im Deutschen Städtetag wäre das durchaus eine Erklärung – aber keine Rechtfertigung. Oder besteht tatsächlich ein, freilich von Ihm immer negierter, Interessenskonflikt mit seiner Tätigkeit als Mitglied im Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen AG? Bei Letzterem kann sofort abgeholfen werden, indem Herr Jung sein Aufsichtsratsmandat zurückgibt. Weder hat es bisher eine gleichmäßige Bahnverteilung, die Abschaffung der kurzen Südabkurvung noch eine andere Fluglärmentlastung für Leipzig gebracht. Der städtische Anteil an den millionenschweren jährlichen Zuschüssen für den Flughafen ist allerdings geblieben.
Nun sind wieder die Stadträte gefragt, deren Beschluss aus den Jahr 2019 hier auf die kalte ausgehebelt werden soll. Ich denke aber, sie werden so viel Rückgrat haben, dies zu verhindern. Wo kämen wir denn hin, wenn Stadtratsbeschlüsse das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt wurden.
Pressemitteilung »BI „Gegen die neue Flugroute“«
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