Die russische Invasion hatte zur Folge, dass Waffen an Freiwillige ausgegeben wurden. Ungeübt im Umgang mit Waffen, kam es während der Kampfhandlungen zu Verletzungen durch eigene Einheiten – sogenanntes „Friendly Fire“. In Kooperation mit der Armee führen Freiwillige modulare Schulungen für Zivilist*innen durch. Nach einer Sicherheitsüberprüfung absolvierten wir dieses Training. Inhalte waren Taktiken im urbanen Raum, Umgang mit der Kalaschnikow, Schnellfeuergewehren, Raketen- und Granatwerfern, Minenkunde und ein Erster Hilfe Kurs. Die Frauenquote bei den Kursen liegt bei ca. 50 Prozent.
Interview mit einem Maskierten
Wir sprechen mit jemandem aus dem Kurs, um mehr über seine Motivation zu erfahren. Statt eines stumpfen Kämpfers entpuppt sich unser Interviewpartner, als feingeistiger Künstler mit guten Beziehungen nach Berlin. Mit Militär hatte er bislang nicht viel zu tun.
Wie hast du den Kriegsbeginn erlebt?
Ich habe mich bereits seit eineinhalb Jahren mental darauf vorbereitet. Das ist nichts, was von jetzt auf gleich passiert ist. Ich habe mir seinerzeit Waffen sowie Munition gekauft und mit dem Trainieren angefangen.
Vor drei Jahren, würde ich sagen, hatte ich Angst vor der Armee. Ich bin durch und durch Zivilist gewesen. Ich bin Komponist und schreibe Musik für die Werbung und habe Musik unterrichtet. Nicht nur in der Ukraine, auch in Deutschland – bei Image Movement in Berlin.
Das Wort Armee assoziierte ich immer mit der sowjetischen Armee mitsamt all ihrer Schikanen die bekannt waren, die an den Neulingen ausgeübt wurden. Mir wurde einfach kotzübel, wenn ich das Wort gehört habe.
Während der letzten acht Jahre des Krieges in der Ukraine wurde die ukrainische Armee gründlich reformiert und ich hielt es für möglich ihr anzuschließen – zumindest als Reservist. Was über die sowjetischen Armee bekannt war, habe ich selbst nicht erlebt.
Das einzige was noch von der sowjetischen Armee zurückgeblieben ist, sind die Waffen. Jetzt kann ich die Uniform tragen, die mir gefällt – sei es die amerikanische, britische oder sonst irgendeine. Die Führung hat nichts dagegen, wenn ich Dinge anziehe, die mir eigentlich nicht zustehen würden.
Du bist Reservist und machst den Kurs hier zusätzlich?
Ich bin ein Teil der ukrainischen Armee. Ich habe ein Dokument, dass mich als Militär ausweist und in diesem Dokument steht Reservist.
Aber hast du als Reservist nicht schon eine Grundausbildung erhalten?
Ich habe meine offizielle Ausbildung am 23. Februar angefangen – also einen Tag vor Kriegsbeginn und seitdem bin ich ständig in der Ausbildung. Bald werde ich eine Prüfung ablegen und bin anerkannter Soldat und kann mich den Einheiten anschließen, die direkt an den Kämpfen beteiligt sind.
Ich bin nicht sicher, ob ich mein ganzes Leben nun dem Militär widmen werde. Ich schätze, dass dieser Konflikt nicht so schnell beendet wird. So wie es jetzt aussieht, bleibe ich wahrscheinlich erstmal Teil der Armee.
Hast du noch etwas, das du loswerden möchtest?
Liebste Grüße an alle Deutschen. Vor allem an die Berliner. Berlin ist eine wunderschöne Stadt, die ich in- und auswendig kenne. Mein innerster Wunsch ist es, Berlin wieder besuchen zu können ohne dabei die Uniform tragen zu müssen. Ich freue mich darauf dort wieder Musik zu machen, Konzerte und die geilen Pups zu besuchen.
Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn die Deutschen – sobald die Sicherheitsbedingungen es wieder erlauben – wieder in die Ukraine kommen und die kulturellen Highlight besuchen. Es kann nicht nur darum gehen, die wirtschaftlichen Beziehungen wiederherzustellen. Es geht auch um die kulturellen Beziehungen. Ich arbeite beim Zentrum der modernen Kunst »Dach« – das ist eine Art Theater.
Der Beitrag ist Bestandteil der Ausstellung Kriegstouristen.