Die Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen – eine Forderung, die seit Dezember 2016 immer wieder aus der Gesellschaft erhoben wird. Damals hob erstmals wieder ein Abschiebeflieger in Deutschland in Richtung Kabul ab. Der Protest gegen Abschiebungen in gerade dieses Zielland wird von einem breiten Spektrum Akteur*innen organisiert und unterstützt. Kirchenvertreter*innen haben sich dagegen ausgesprochen genauso wie Politiker*innen von Linken und Grünen, auch von der SPD, Aktivist*innen, die Flüchtlingsräte und weitere NGOs, nicht zuletzt Selbstorganisationen afghanischer Geflüchteter.
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Gestoppt hat das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer die Abschiebungen jedoch nicht. Auch die Pandemie hat dem kein Ende bereitet und so soll bereits am kommenden Dienstag der nächste Flieger gehen. Diesmal von Leipzig/ Halle. Hier demonstrierte das Aktionsnetzwerk Protest LEJ am Samstag auf dem Marktplatz. Etwa 300 Menschen hatten sich versammelten, mit zwei Fahrraddemos aus dem Leipziger Osten und Westen reisten zahlreiche Demonstrant*innen an. Das erhoffte Bild, wie die Fahrräder auf den Marktplatz mitsamt roter Papierdrachen strömten, wirkte. Denn Drachensteigen ist eine afghanische Tradition, die die Taliban dort verbieten, wo sie herrschen.
Und auch in anderen Städten in der Bundesrepublik gingen Menschen auf die Straße und brachten selbstgebastelte Drachen mit. In Berlin, Köln, Lübeck, München, weiteren Städten wurde unter dem Hashtag #Afghanistannotsafe mobilisiert. Maxi Funke von Protest LEJ erklärt: „Der koordinierte Aktionstag ist notwendig geworden. Bundesweit signalisieren wir, dass genug ist, seit Langem! Bisher wurden 1.035 Menschen aus der Bundesrepublik abgeschoben, deswegen muss es Protest in möglichst vielen Städten geben. Und praktische Solidarität.“ fügt sie hinzu.
Auch Mohammad Okasha, frisch in den Migrant*innenbeirat der Stadt Leipzig gewählt, sprach auf der Kundgebung. „Einem Mitarbeiter der Ausländerbehörde würde ich gern sagen: ‚Wenn du Afghanistan so sicher findest, dass du Menschen dahin abschiebst, dann nimm doch deine Familie und mach Urlaub da!“ Der Kampf um ein Bleiberecht ist existentiell, das verdeutlicht seine Rede klar. Okasha spricht aus eigener Erfahrung, über ein Jahr habe er selber die Abschiebung aus Leipzig fürchten müssen. Der Blick auf das Schicksal von Menschen, die nach Afghanistan abgeschoben wurden, zeigt, was auf dem Spiel steht. Mindestens ein Mensch beging Suizid, ein weiterer wurde Ziel eines Bombenanschlags. Einige fliehen erneut. In den Iran beispielsweise, viele Menschen afghanischer Staatsbürgerschaft wurden dort geboren. Andere sind bereits wieder in Europa. Was die Abschiebemaschinerie für Tragödien produziert, dass sie rassistisch und gewaltvoll ist, schallte den Gäst*innen in den Cafés und Restaurants rund um den Leipziger Markt mehrfach entgegen. Und, dass Abschiebungen auch ein Geschäft sind.
Das verdeutlichte ein aus Berlin angereister Vertreter der Gruppe NoBorder Assembly. In einer umfassenden Recherche hat die Gruppe die Airlines recherchiert, die 2020 für Sammelabschiebungen Flugzeuge und Crew bereitstellten. Besonders hervor sticht die spanische Airline „Privilege Style“, die die letzten neun Abschiebungen nach Afghanistan mitzuverantworten hat. #AllPrivilegeNoStyle lautet die Kampagne, die nun darauf aufmerksam macht, dass durch Abschiebungen eben auch Unternehmen Profite einstreichen.
Die intensiv mit Reden und Live-Musik ausgestaltete Demo ließ sich auch nicht von dem einbrechenden Regen unterbrechen. In diesem Sinne kündigte die Vertreterin von Protest LEJ an: „Wir werden nicht aufhören bis niemand mehr nach Afghanistan abgeschoben wird. Wir werden nicht aufhören, bis gar niemand mehr abgeschoben wird! Denn: bis wir uns aussuchen können, wo wir geboren werden, bis dahin gehört die Welt allen! Afghanistan is not safe! Also: was wollen wir? Stop deportatons! Wann wollen wir das? Jetzt!“ Am 8. Juni, wenn wieder ein Flieger nach Afghanistan abhebt, wollen Protest LEJ erneut demonstrieren. Diesmal am vorgesehenen Abschiebeflughafen Leipzig/ Halle, die Mahnwache startet 19 Uhr. / MG