Film und Diskussionsangebot: Antisemitismus unter Geflüchteten

Zum Gespräch anlässlich einer Filmvorführung treffen wir uns im Leipziger Süden. Mehrere Migrant*innen sitzen, bei einem Kaltgetränk, an dem Spätsommerabend auf einer Mauer. Darunter eine schwangere Deutsche und ein etwas älterer Mann im Kapuzenpulli – es handelt sich um Richard Gauch.
 
“Richard Gauch wurde mehrfach für sein Zivilengagement ausgezeichnet. 2013 war er Projektleiter der Initiativgruppe „Mahnwache und Stolpersteine putzen“, erhielt den Preis „Couragiert in Leipzig“ und ist zudem Preisträger des Bündnisses für Demokratie und Toleranz- gegen Extremismus und Gewalt bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Sein Kollege Ricky Burzlaff war ehemals Vorsitzender des Vereins „Verantwortung für Flüchtlinge e. V.“ aus Leipzig, welcher insbesondere auf dem Westbalkan im Interesse der dort lebenden und aus Deutschland abgeschobenen Roma aktiv ist” lautet es in einem früheren Bericht der LIZ zu dem Film aus der heutigen Vorstellung.
 
Seit 2015, der sogenannten “Flüchtlingskrise”, engagieren sich Richard Gauch und Ricky Burzlaff in der Flüchtlingshilfe. “Als die Turnhallen mit Menschen belegt wurden, wollten wir helfen. Wir hätten uns in eine der zahlreichen Initiativen engagieren können, entschieden uns jedoch dazu, mit einzelnen Geflüchteten zu arbeiten. Konkret ging es darum Begegnungsorte zu schaffen und bei alltäglichen Problemen – wie Behördengängen, Wohnungs-, Job- oder Ausbildungssuche – zu helfen. Etwas, das auch noch wirkt, wenn der Trubel vorbei ist.
 
Im Rahmen unseres Wirkens fielen uns hier und da antisemitische Einstellungsmuster auf, denen wir mit Gesprächen und Bildungsfahrten zu Gedenkstätten begegneten. Für Menschen die hier geboren wurden ist es verlockend antisemitische Einstellungen zu verurteilen. Das hat auch seine Richtigkeit. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass es sich bei Geflüchteten um Menschen mit einer anderen Sozialisierung, traumatischen Fluchterfahrungen, Rassismuserfahrungen auf der Straße und den Behörden sowie Menschen mit banalen Problemen handelt” meint Richard während er den Sitzplatz auf der Mauer gegen den Schneidersitz auf dem Bürgersteig eintauscht.
 
Richard und Ricky organisieren weiterhin Bildungsfahrten – rücken dabei jeodoch immer weiter in den Hintergrund. Inzwischen sind sie Teil der vornehmlich migrantisch organisierten Initiative “AG United”. Das, im bereits erwähnten Interview mit der LIZ, proklamierte Ziel “Jene Flüchtlinge, die mit ihnen nach Auschwitz gefahren sind […] nun als Multiplikatoren wirken […]” scheint erreicht. In der Ankündigung zur heutigen Filmvorstellung im Rahmen der “Interkulturellen Wochen” lautet es:
 
„Der Dokumentarfilm „Eine Begegnung – Arabische Flüchtlinge treffen auf den Holocaust“ zeigt, wie wichtig die Präsenz des Holocausts heute im Jahr 2021 immer noch sein muss: 3 Geflüchtete aus dem Irak, Marokko und Syrien besichtigen zum ersten Mal die Konzentrationslager in Auschwitz und werden mit den katastrophalen Folgen von Antisemitismus, Rassenwahn und Krieg konfrontiert. In ihren Heimatländern sind Krieg, Rassismus und Antisemitismus immer noch Alltag – umso stärker können sie nachempfinden, wie es den Menschen im zweiten Weltkrieg ergangen sein muss. In ständiger Angst zu leben, jeden Tag Leichen zu sehen und kaum Hoffnung auf eine friedliche Zukunft zu haben – Mohammed, Ghassan und Fouad kennen dieses Leben und kommunizieren im Rahmen dieser Reise nach Polen im Gespräch mit Zeitzeugen eine starke Botschaft an die Zuschauer*innen. Im Rahmen der Veranstaltung zeigen wir den Dokumentarfilm und wollen uns in der Diskussion der Notwendigkeit einer aktiven Auseinandersetzung mit Antisemitismus widmen.“ 
 
Die diesjährigen Interkulturellen Wochen wurden unter dem Motto „#offengeht – Leipzig auf dem Weg zu einer vielfältigen Stadtgesellschaft“ bereits am 19. September 2021 eröffnet. Insgesamt gab es in diesem Rahmen rund 100 Angebote von 80 veranstaltenden Organisationen. Das Leipziger Programm läuft noch bis zum 3. Oktober 2021.
 
„Vor dem Hintergrund des Mottos #offengeht haben wir uns dazu entschlossen, den Film online zur Verfügung zu stellen. Zum Prozess der Entstehung, den Finanzierungsproblemen und nicht zuletzt den Inhalten stehen wir als AG United auch nach dieser Veranstaltung zur Verfügung“ so einer der Protagonisten und Mitglied der AG United aus dem Film. 
 

 
Abschließend konstatiert Richard: „Ich finde es wichtig, dass das Thema Antisemitismus angesprochen wird und auch andere Menschen sich in Form von Gedenk- und Bildungsarbeit mit Geflüchteten konstruktiv einbringen.“
 
Die Produktion des Films und das Gesamtprojekt haben eine deutliche  fünfstellige Summe gekostet. Leider konnte diese nicht durch ein Crowdfunding-Projekt finanziert werden, sodass die Initative auf einer Summe von knapp 10.000 Euro sitzen geblieben ist. Richard und Ricky bitten deshalb um Spenden an:
 
Ricky Burzlaff
IBAN: DE94120965970003526837
Betreff: Filmprojekt
 
Wenn das Spendenziel erreicht wurde, aktualisieren wir diesen Beitrag. Zwischenzeitlich mehr eingegangene Spenden werden an den Bon Courage e.V. weitergeleitet.
 
 
Bildquelle: Screenshot YouTube „Eine Begegnung“
/TP MS