In einer groß angelegten Polizeiaktion ging die Bundesanwaltschaft am 6. April 2022 gegen militante Nazi-Strukturen vor, von denen mehrere rund um den Eisenacher Neonazi Leon R. zusammen laufen, darunter „Knockout 51“, „Atomwaffendivision Deutschland“ und „Combat 18“. R. und sein „Kamerad“ Maximilian A. treten außerdem als Geschädigte im Antifa Ost-Prozess auf.
„Die Razzien verdeutlichen den besonderen Verfolgungswillen gegen die in Dresden angeklagten Antifaschist:innen“, so Marta Zionek, die Sprecherin des Solibündnis Antifa Ost. Die Bundesanwaltschaft hatte das Verfahren gegen die Beschuldigten wegen einer angeblichen „besonderen Bedeutung“ an sich gezogen, dabei den § 129 angewendet und eine „kriminelle Vereinigung“ konstruiert. Dieser angeblichen Vereinigung werden auch Angriffe auf Leon Ringl und seine Kameraden vorgeworfen. Die „besondere Bedeutung“, mit der die Bundesanwaltschaft ihre Zuständigkeit in dem Fall begründet, erklärte sie damit, dass die Meinungsfreiheit gefährdet gewesen sei, da die Eisenacher Neonazis wegen der Angriffe nicht mehr am „demokratischen Diskurs“ hätten teilnehmen können. „Ohne dieses Pseudo-Argument einer ‚Gefährdung der Demokratie‘ durch die Beschuldigten hätte die Bundesanwaltschaft ihre Zuständigkeit nicht begründen können“, kommentiert Marta Zionek. „Es verhöhnt die täglich von Rassismus Betroffenen und Hunderte Todesopfer rechter Gewalt, wenn der Rechtsstaat die freie Meinungsäußerung von ideologisch gefestigten, bewaffneten und kampfbereiten Hitler-Fans gefährdet sieht. Und um diese zu schützen, diejenige über 500 Tage in U-Haft gefangen hält, die gegen die rechte Hegemonie in Eisenach etwas gemacht haben soll.“
Auch der Zeitpunkt des gestrigen Polizeieinsatzes sorgt für Stirnrunzeln. Nach dem Beginn der Ermittlungen gegen die Nazis im Jahr 2019 erfolgten die Razzien nun etwa drei Wochen nachdem das letzte Mitglied von „Knockout 51“ im Dresdner Verfahren als Zeuge ausgesagt hat. „Die Neonazis haben ihren Dienst für die Behörden getan und brav ausgesagt, auch wenn nicht viel Wahrheit dabei war. Jetzt kann die Bundesanwaltschaft sich als Hüterin der Demokratie inszenieren und galant über ihre dubiosen Ermittlungsmethoden und Falschanschuldigungen hinwegtäuschen. Dabei hat sie nur einmal mehr Informationen vorenthalten“, erläutert Zionek. Der Effekt auf die öffentliche Wahrnehmung und Debatte könnte nun der sein, dass die Razzien gegen rechts im Sinne der Hufeisentheorie zugleich ein hartes Vorgehen gegen links rechtfertigen, zumal es sich in beiden Fällen um ein Verfahren nach § 129 handelt, befürchtet das Bündnis. „Dieser Gegenüberstellung muss eine klare Absage erteilt werden. Antifaschismus bleibt legitim und notwendig, trotz der jüngsten Razzien.“
Der spektakuläre Großeinsatz am 6. April muss im Kontext der letzten Jahre betrachtet werden. Der sogenannte „Nazi-Kiez“ konnte sich unter den Augen von Behörden und Zivilbevölkerung in Eisenach etablieren. Alle öffentlich bekannten Vorwürfe der Bundesanwaltschaft gegen die Eisenacher Nazis waren durch Antifa-Recherchen und wissenschaftliche Untersuchungen seit Jahren bekannt. „Die antifaschistische Gegenwehr wird seit Jahren delegitimiert und von staatlicher Seite mit Repression überzogen, weil der Staat sich im Kampf gegen Links als wehrhaft beweisen will.“ schließt Zionek.
Pressemitteilung und Foto: Solidaritätsbündnis Antifa Ost