Geimpft, genesen, gefangen – Corona-Ausbrüche in der JVA Leipzig

Wir ziehen unser Handy aus der Hose, als wir das Café in der Südvorstadt betreten. Die Kellnerin prüft sorgfältig die gespeicherten Impfzertifikate bevor sie uns zu einem Tisch begleitet. »Stell dir mal vor, wir werden jetzt hier gefangen gehalten, weil die Kellnerin nicht geimpft ist.« sagt Ines* und ringt nach Worten. Ihr Freund sitzt derzeit in der JVA Leipzig. Dort gab es einen größeren Corona-Ausbruch und der sorgt für Unverständnis.

Neben der Untersuchungshaft und Haftkrankenhaus-Aufenthalten werden in der JVA Leipzig überwiegend Kurz- und Ersatzfreiheitsstrafen verbüßt. Das bedeutet, wenn jemand seine Strafe nicht zahlen kann, sitzt er sie einfach ab. Als Ines ihren Freund morgens besuchen möchte, erfährt sie am Eingangstor, dass die Station 5 unter Quarantäne stehen soll. »40 von 50 Menschen seien« betroffen. Ein Besuch wäre nicht möglich. Sie ist wütend und sorgt sich. 

Jede zweite JVA in Sachsen ist von Corona betroffen
Auf der Suche nach Antworten zu Ines Fragen wendet sich
La-Presse.org ans zuständige Ministerium: »Zum Stichtag 26. Oktober 2021 waren sowohl unter Bediensteten als auch unter Gefangenen Corona-Fälle in sächsischen Justizvollzugsanstalten bekannt.« Erst auf Nachfrage wird die Sprecherin konkreter: 15 Gefangene und 5 Bedienstete wurden zum Stichtag positiv getestet. Eine Station wurde unter Verschluss genommen. Nur in Leipzig. Insgesamt betraf ein positives Corona-Testergebnis, zum Stichtag, 6 von 10 Anstalten in Sachsen. 16 Gefangene und 22 Bedienstete. Zwei Stationen befanden sich unter Verschluss. Die Tür der Zelle blieb zu.

Manuel Matzke von der Gefangenen-Gewerkschaft kritisiert die fehlende Transparenz der Justiz: »Schon in der ersten Corona-Welle hatten wir gefordert, dass Gefangene und Angehörige umgehend über Corona Fälle und Maßnahmen informiert werden. Es kann nicht sein, dass Angehörige mit Kindern auf dem Arm erst am Gefängnistor erfahren was sich Hinter den Mauern abspielt.« Während die Gastronomie dazu verpflichtet wurde, das Impfzertifikat oder Testergebnis von Gästen zu prüfen, gelten im Gefängnis andere Regeln. Fast keine. 

Infektion kann kaum von Gefangenen ausgehen
Zum Impfstatus von Gefangenen und Bediensteten lautet es aus dem Ministerium wortkarg: »Die Impf-Akzeptanz in den einzelnen Justizvollzugsanstalten variiert und spiegelt in etwa die derzeitige Impfquote der sächsischen Allgemeinbevölkerung wider.« Derzeit bildet Sachsen mit 56,5% Impfquote bei Zweitimpfungen bundesweit das Schlusslicht. Europaweit liegt Deutschland mit 71,3% im Mittelfeld. Dagegen wies das Robert-Koch-Institut am Mittwoch den Freistaat mit einer Inzidenz von 200,8 aus. Damit hat Sachsen, knapp hinter Thüringen (241,8), bundesweit den höchsten Inzidenzwert.


Auf die Frage ob denn die Bediensteten beim Zugang in das Gefängnis getestet werden lautet es gegenüber La-Presse.org, dass nur »in besonders vulnerablen« Bereichen »eine zweimal wöchentliche Testung der Bediensteten festgelegt« wurde. Zu diesen verletzlichen Bereichen zählen Mitarbeiter des Krankenhauses der JVA Leipzig, die Sicherungsverwahrung Bautzen sowie medizinische Zugangs- und Quarantänebereiche. »Bedienstete mit direktem Kundenkontakt, die nicht vollständig geimpft sind und keinen Genesenenstatus nachweisen können, werden zweimal wöchentlich getestet.« heißt es abschließend aus dem Ministerium.

Die Leipziger Rechtsanwältin Rita Belter ist fassungslos. Gefangene müssen nach der Inhaftierung in eine strenge Quarantäne. Die Infektion kann also kaum von Ihnen ausgehen. »Scheinbar lautet die 3G-Regel in Sachsen: Geimpft, genesen, gefangen. Die Verletzung von Amtspflichten liegt auf der Hand. Ich rate Betroffenen sich juristisch beraten zu lassen.«

/MS

*Name von der Redaktion geändert