Die Staatsschutzabteilung der Leipziger Polizei sorgt für Besorgnis. Der Versand von Strafanträgen nach Protesten weckt Bedenken bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Zum Hintergrund der Maßnahme.
Im Zusammenhang mit den Protesten nach der Urteilsverkündung am 31. Mai 2023 im sogenannten „Antifa-Ost-Prozess“ gab es in Leipzig zahlreiche Versammlungen. Dabei kam es auch gezielt zu Gewaltstraftaten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Unter dem Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs am 3. Juni 2023 wurden die Identitäten von über 1.000 Personen festgestellt.
Aufgrund des Ausmaßes der Straftaten stehe die Polizei „vor komplexen und nicht nur kurzfristigen Ermittlungsmaßnahmen“, wie die Polizeidirektion Leipzig auf Anfrage von La-Presse.org mitteilte. Es wurde eine Ermittlungsgruppe (EG LEX) eingerichtet, in der knapp über 20 Beamtinnen und Beamte aus der Polizeidirektion Leipzig sowie der Bereitschaftspolizei arbeiten.
Derzeit sorgen Schreiben der EG LEX an unbeteiligte Dritte, die vermeintlich Geschädigte sein sollen, für Verwirrung. Dem Schreiben ist ein Strafantrag sowie ein „Vordruck zum Aufzeigen“ des entstandenen Sachschadens beigefügt – es wäre sinnvoll, eine Rechnung oder einen Kostenvoranschlag beizufügen.
Im vorausgefüllten Strafantrag wird die Straftat „besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs gemäß § 125a StGB“ genannt. In einem der Redaktion vorliegenden Schreiben findet sich auch die Formulierung „Proteste mit Zusammenhang Antifa-Ost-Verfahren“ sowie die Schlussformulierung „Für zivilrechtliche Schadenersatzforderungen hat der Strafantrag keine Bedeutung.“
Die Polizei begründet das Versenden der Anträge folgendermaßen: „Wenn eine Straftat bekannt wird, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bei sogenannten Antragsdelikten wird eine Straftat grundsätzlich nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt. Aus diesem Grund werden Strafanträge an Geschädigte versandt.“ Es ist unklar, woher die Daten der Empfängerinnen stammen, ebenso wie die Speicherdauer der Daten. Die Polizei erklärt dazu: „Diese sind mit dem Ermittlungsverfahren bezüglich des Tatbestands verbunden, daher kann die Speicherungsdauer je nach gesetzlichen Vorgaben unterschiedlich sein. Ein Strafantragsberechtigter ist grundsätzlich mit dem Ermittlungsverfahren verbunden.“
Die Rechtsanwältin Rita Belter sieht die Formulierung im Strafantrag „Proteste mit Zusammenhang Antifa-Ost-Verfahren“ als potenziell grenzenlose Möglichkeit der Strafverfolgung und äußert Kritik. Sie rät dringend davon ab, vorausgefüllte Strafanträge zu stellen, sondern empfiehlt rechtlichen Rat einzuholen. Zudem verweist sie auf die Ermittlungen gegen die Polizei Leipzig nach einer Aktion von Böhmermann.
Die Redaktion von Böhmermann erstattete Strafanzeigen wegen Hasskriminalität im Internet, um zu sehen, wie die Polizei damit umging. Die meisten Anzeigen blieben jedoch ohne Folgen. Deshalb wurde gegen die Polizei in Leipzig wegen Strafvereitelung im Amt ermittelt. Polizeikreisen zufolge gab es daraufhin noch einen internen Test. Das Ergebnis soll nur geringfügig besser ausgefallen sein. / MS
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Quellen:
Presseanfragen Polizeidirektion Leipzig
Hintergrundgespräche mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten
Hintergrundgespräche in Polizeikreisen
Hintergrundgespräche mit Betroffenen
Welt.de: Ermittlungen gegen Polizei Leipzig nach Böhmermann-Aktion