Friedensdemonstration „Stoppt den Krieg in der Ukraine“

Knapp tausend Menschen versammelten sich heute in Leipzig anlässlich des Krieges in der Ukraine. Es wurden Redebeiträge vom linXxnet, der Gruppe Prisma und dem SDS verlesen. Den Redebeitrag des SDS geben wir hier vollständig wieder.

„Liebe Leipzigerinnen und Leipziger, liebe Passantinnen und Passanten, liebe Freunde, liebe friedliebenden Menschen, heute haben wir uns einmal mehr versammelt, um ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine und in der Welt zu setzen und um eine Erzählung des Friedens wieder stark zu machen. Unsere volle Solidarität gilt allen Ukrainer:innen, allen Geflüchteten und allen Menschen in Russland, die auch unter einem autokratischen Regime für den Frieden streiten.

Eine friedliche Welt – was heißt das eigentlich? Außenministerin Baerbock hat am Donnerstag gesagt: „Wir sind alle in einer anderen Welt aufgewacht“. Dem würde ich nicht uneingeschränkt zustimmen. Mit dem Einmarsch in die Ukraine, hat Putin das Völkerrecht so offensichtlich, so absichtlich, so ungerecht gebrochen, dass uns der Kriegsausbruch bis ins Mark erschüttert hat. Jegliches Verständnis für Wladimir Putin ist da total fehl am Platz. Frau Baerbock hat also Recht, wenn sie mit einer „anderen Welt“ eine Welt meint, in der mitten in Europa einfach so ein Land in einem Angriffskrieg überfallen werden kann, in der zwei reguläre Armeen mitten in Europa gegeneinander kämpfen. Wenn sie mit „eine andere Welt“ aber den Krieg an sich meint, dann hat sie nicht Recht – leider. Denn Millionen Menschen in Syrien, im Yemen, auf dem afrikanischen Kontinent oder auch in Süd- und Mittelamerika sind am Donnerstag in derselben traurigen Welt aufgewacht – nämlich mitten im Krieg. Es ist auch nicht der erste Krieg seit 1945. Krieg hatten wir in den letzten Jahren zuhauf. Sei es der russische Einmarsch in Georgien 2008, der Einmarsch der Türkei in Afrin 2018, der Afghanistan-Krieg oder die Kriege auf dem Balkan in den 1990er Jahren – die Welt in der wir leben, ist keine Friedliche. Das ist meiner Meinung nach ein schrecklicher Zustand.
Was aber tun – gegen den Krieg in der Ukraine und der Welt? Ich glaube nicht, dass die Lösung ist, einfach das zu tun was die NATO sagt oder was die USA sagen. Die NATO will Aufrüstung und Abschreckung vonseiten Putins mit Aufrüstung und Abschreckung aus dem Westen beantworten. Heute reden wir über eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr, um mehr Geld, mehr Personal und morgen vielleicht wieder über die Einführung der Wehrpflicht? Als friedliebender Mensch glaube ich nicht, dass dies der richtige Weg ist. Hat nicht die Geschichte gezeigt, dass nicht die Aufrüstung der beiden Supermächte, sondern erst deren beiderseitige Abrüstung den kalten Krieg beendet hat?

Haben wir nicht die letzten zwanzig Jahre schon kräftig aufgerüstet, haben wir über eine europäische Armee geredet, während das US-Militärbudget demnächst erstmals wohl die Billionenschwelle übersteigen wird. Sind veranschlagte 50,3 Mrd. Euro Militärhaushalt für Deutschland für 2022 nicht genug? Was bringt es und denn, eine Aggression von Russland oder China mit noch mehr Waffen und noch mehr Geld beantworten zu können? Im Zweifel sind der Krieg und die Zerstörung doch nur noch schrecklicher, gibt es noch mehr Verlierer und noch mehr Gewalt. Die Frage sollte nicht lauten, was wir verschlafen haben, dass die Bundeswehr so vermeintlich schlecht dasteht. Die Frage sollte lauten, was wir als Friedensbewegung hätten anders machen müssen, um den Frieden zu erhalten. Haben wir uns vielleicht zu sehr auf dem Frieden ausgeruht? Zu wenig dafür gekämpft? Wir müssen wieder zurück zu dem Punkt kommen, wo jegliche Aufrüstung, jegliche Aggression, jegliche Hegemoniepolitik – von allen Seiten – wieder einen internationalen Aufschrei nach sich zieht. Das gilt für die aktuellen russischen Aggressionen in Osteuropa, für die chinesischen Ambitionen Richtung Taiwan aber auch für die Rolle der NATO in Syrien, Afghanistan und Libyen Das gilt, wenn wir über die NATO-Osterweiterung reden oder wenn es auch nur darum geht, einen höheren Militäretat zu beschließen. Wir als Zivilbevölkerung müssen all dies immer kritisieren, damit der moralische Preis für ein solches Verhalten so hoch ist, dass keine Autokratie und keine Regierung sich so etwas traut.

Ich möchte auch noch auf einen Aspekt hinweisen, der meiner Meinung nach zu Unrecht aktuell zu wenig Beachtung erfährt. In seiner Fernsehansprache hat Putin allen Staaten, die sich ihm in den

Weg stellen, mit Konsequenzen gedroht, die es in der Geschichte dieser Länder noch niemals gegeben hat. Kann man darin die Drohung mit Atomwaffen sehen? Vielleicht. Aktuell rechnet wohl niemand ernsthaft damit, dass es zum Einsatz von Atomwaffen kommen könnte. Aber haben wir bis Donnerstag nicht auch einen Einmarsch in die Ukraine für unwahrscheinlich gehalten? Ich für meinen Teil, hatte diese Möglichkeit bis Mittwoch noch vollkommen ausgeschlossen. Mit Blick auf die Atomwaffen, die noch auf beiden Seiten existieren, macht mir das große Sorgen. Ich glaube, dass wir gerade deshalb so fassungslos waren vorgestern, eben weil wir nicht mit einem Einmarsch gerechnet haben. Wenn ein solches Vorgehen mitten in Europa wieder möglich ist, ist dann nicht auch die reale Bedrohung eines Atomkriegs wieder wahrscheinlich geworden? Da sehe ich es als Armutszeugnis, dass wir es über dreißig Jahre nach Ende des Kalten Krieges nicht geschafft haben, alle Atomwaffen von der Erde zu tilgen. Denn die Vorstellung, dass ein Einsatz von Atomwaffen überhaupt auf dem Tisch liegen könnte, halte ich aus jeder denkbaren Perspektive für unerträglich. Wir müssen die Ächtung von Atomwaffen immer und überall auf die Agenda setzen und die Regierenden in Ost und West solange mit diesem Thema unter Druck setzen, bis auch der letzte Sprengkopf fachgerecht entsorgt wurde und die letzte Produktionsanlage für immer zerstört ist. Außerdem muss Deutschland sofort den Vertrag zur Ächtung von Atomwaffen unterzeichnen.
Welche Konsequenzen ziehen wir also aus all dem? Kurzfristig müssen wir unter allen Umständen diesen Krieg beenden. Alle russischen Truppen in der Ukraine müssen sofort abgezogen werden. Hier in Deutschland müssen wir und dafür einsetzen, dass der Westen nur nicht-militärisch auf die Situation reagiert. Aktuell müssen wir die Geflüchteten unterstützen und die Parteien durch öffentlichen Druck zurück an den Verhandlungstisch zwingen. Dafür möchte ich einen Auszug aus einem Statement einer russischen oppositionellen und sozialistischen Gruppierung verlesen. Die Gruppe „sozialististscheskaja Alternativa“ schreibt folgendes „Wir müssen eine Anti-Kriegs-Bewegung von unten aufbauen, die in den Betrieben und Universitäten verankert und in der Lage ist, durch Streiks und Massenproteste ein Ende des Krieges und die Rückkehr der Truppen nach Hause durchzusetzen. Sprecht mit allen in eurem Umfeld – Familie, Freundinnen, Kolleginnen, Kommilitoninnen – darüber, dass der Krieg beendet werden muss; dass Solidarität mit den Ukrainerinnen, die unter Putins militärischer Aggression leiden, notwendig ist. Geht alleine oder gemeinsam mit solidarischen Menschen auf die Straße, um Plakate aufzuhängen und Anti-Kriegs- Flugblätter zu verteilen.“ Zitat Ende. Wenn dies für Russland gilt, wo bereits ein Pappschild mit der Aufschrift „Kein Krieg“ zur Verhaftung führen kann, dann muss das für uns in Deutschland erst recht gelten.

Mittel- und Langfristig müssen wir aber allgemein zu einer umfassenden Friedensbotschaft zurückkehren. Wir, die arbeitende und studierende Bevölkerung, die stets und ständig Opfer des Krieges und seiner Folgen für die Wirtschaft, die Umwelt und die Zivilbevölkerung sind, müssen aufstehen und die Regierenden dieser Welt zu Frieden verpflichten. Wir müssen den moralischen Preis für Kriegstreiberei, Hegemoniestreben und Aufrüstung für alle Seiten so hoch setzen, dass sie es lieber sein lassen, weil ihnen sonst ein solches Echo aus der Bevölkerung droht, welches sie politisch- moralisch nicht verkraften können. Wir treten ein für Abrüstung, das In-Gang-Setzen einer Deeskalationsspirale, die Absage einer weiteren Expansion der NATO, das Ende jeglicher Rüstungsexporte, das Ende jeglicher Kriege und Konflikte um Macht und Ressourcen und nicht zuletzt die Ächtung von Atomwaffen und anderen ABC-Waffen. Der SDS ist für eine Politik, die dafür eintritt! Dankeschön!“