Wir schlendern vorbei an Gewerbeobjekten entlang eines Bahndamms. Ein Kohlehändler schippt mit einer Hake Briketts in einen großen Eimer. Als er den Eimer auf einen Laster wuchtet, kommen wir ins Gespräch.
Schön, hier liegt ein ganzer Haufen schwarzes Gold.
Das ist bald vorbei. Ich bekomme vom Kohleproduzenten nichts mehr. [Der Händler lacht, zuckt mit den Schultern, läuft zum Führerhaus des Lasters. Er zieht ein Schreiben aus der Tür und hält es uns hin.]
Sehr geehrte Händlerin, sehr geehrter Händler,
Aus dem Schreiben der Veredelung des Energieversorgers
seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und den aktuellen Entwicklungen am Energiemarkt befindet sich Deutschland in einer Sondersituation hinsichtlich der Energieversorgung. […] Wir gehen davon aus, dass eine durchgängige Produktion von Braunkohlenbriketts in den Monaten Oktober und November nicht möglich sein wird […] Mit diesem Schreiben informieren wir Sie, dass es uns aufgrund der genannten Ausnahmesituation nicht möglich ist, weitere Bestellungen für lose Formate entgegenzunehmen.“
Was bedeutet das für dich?
Wenn der Berg weg ist, kann ich dicht machen. Wahrscheinlich wird auf eines meiner Lagergrundstücke ein Haus gebaut. Wie es weitergeht, kann ich nicht sagen.
Es gibt in Leipzig aber doch noch zahlreiche Öfen, die auf Briketts angewiesen sind.
Das stimmt. Ich kann sie nicht beliefern. Den Berg, den ihr seht muß ich einteilen. Ich versuche meine Kundinnen und Kunden rationiert über den Winter zu bringen. Mehr kann ich nicht tun.
Aus der nächsten Halle dröhnt laute Rockmusik, drinnen spritzen Funken vom Schweißen. Als uns der Metallbauer an seiner Hallentür erblickt, verstummt die Musik. Wir erzählen ihm, dass wir Perspektiven auf Kleinschocher einsammeln. Er kocht einen Kaffee. Wir sitzen gemeinsam in der Sonne.
Seit wann bist du hier?
Ich wohne im Leipziger Süden. 2014 habe ich die Halle, zusammen mit zwei Partnern, gekauft. Der Preis war seinerzeit nicht unverschämt. Die beiden anderen machen hier ihr Geschäft und ich meines. Wir teilen uns quasi zu dritt den Arbeitsplatz.
Wie läuft das Geschäft?
Vor drei Jahren kam ich mit der Arbeit kaum hinterher. Da ist eine Stelle entstanden. 2021 fing das Geschäft an wegzubrechen. 2022 kommt es fast vollständig zum Erliegen. Preise, Lieferengpässe und das alles, hat zur Folge, dass auch meine Kunden verhalten Aufträge vergeben. Zu dem Geschäftstress hab ich nun auch Verantwortung für den Mensch, für den die Stelle geschaffen wurde. Wir gehen grade in Kurzarbeit.
Wer sind deine Kunden?
Das ist eine gewachsene Struktur. Das war mir wichtig. Mir geht´s nicht nur um´s Geld verdienen. Mir ging’s darum, dass ich mit den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite auch ein gutes Verhältnis habe. Klar, manche kommen nur einmal – weil sie nur ein Geländer brauchen. Dann gibt’s aber auch Architekturbüros oder Privatleute die öfter kommen. Ich hab zwar eine Internetpräsenz aber die Leute kommen durch Empfehlungen.
Ursprünglich habe ich Möbel gebaut aber das verschiebt sich alles. Kürzlich war es eine Perogola mit 16 Metern Länge. 2009 habe ich mit einem Bekannten das Deli in Connewitz ausgebaut. Einem Leipziger Elektroclub habe ich die Toilettenabtrennungen verpasst, dann draußen das Geländer, dann dem Club-Hublift eine Tür. In Lindenau habe ich Lofts mit Stahl- und Glaswänden versehen. Das Projekt war ausschlaggebend dafür, dass ich 2021 eine Personalstelle geschaffen habe. Soweit zu meinen Kunden.
Hast du schonmal darüber nachgedacht, dass alles an den Nagel zu hängen?
Nein, das ist ein Lebenswerk. Ich komme auf alle Fälle durch.
Dadurch, dass du hier nur arbeitest, kannst du zu Kleinschocher ja nicht viel sagen.
Nu ja. Ich bin ja schon mehrere Jahre hier und gucke auch über den Zaun. Kleinzschocher heißt nicht umsonst Kleinzschocher. Man bekommt schon mit wer hier wohnt. [lacht]
Was findest du gut oder schlecht
Schön finde ich, dass es hier ruhig ist. Der Stadtteil entwickelt sich langsam aber stetig zu einem Familiengerechten Stadtteil. Schlechtes kann ich über Kleinzschocher nicht sagen. Gut, es fehlen Treffmöglichkeiten – sowas wie eine Kneipenkultur – aber das betrifft mich ja nicht. Freunde treffe ich dann Abends in Connewitz.
Der Beitrag ist Teil des Projektes „Perspektiven auf Kleinzschocher“.