Verfahren gegen Lina E. u. a. vor dem OLG Dresden

Dem Angeklagten Herrn M. wird mit der Anklage der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, an einem Angriff auf das Bull’s Eve“ in der Nacht vom 18./19.10.2019 kurz nach Mitternacht beteiligt gewesen zu sein.

Der Tatverdacht beruht hier einzig auf dem Inhalt eines abgehörten Gesprächs aus einer Fahrzeuginnenraumüberwachung. Hier soll Herr M. unter anderem gesagt haben: »das Einzige was passieren kann, ist eigentlich DNA.« Aus diesem aus dem Gesamtzusammenhang gerissenen Satz, konstruiert die Bundesanwaltschaft. dass dies nur und ausschließlich bedeuten könne. dass Herr M. am Tatort war.

Die Verteidigung hatte bereits im Zwischenverfahren ausführlich dargelegt, wie fragwürdig diese und weitere Gesprächsinterpretationen und Rückschlüsse sind und andere, ebenso naheliegende Deutungsmöglichkeiten angeboten. Gleichwohl hat das OLG Dresden die Anklage nahezu unverändert zugelassen und damit signalisiert, dass es eine Verurteilung für überwiegend wahrscheinlich erachtet.

In der heutigen Hauptverhandlung hat die Verteidigung des Herrn M nun belegt, dass ihr Mandant sich tatsächlich zur Tatzeit in Berlin befunden hat und somit nicht tatbeteiligt sein kann. Dass ihr dieser Alibibeweis gelungen ist, ist lediglich einem Zufall geschuldet. Tatsächlich befanden sich die entscheidenden Beweise seit Oktober 2019 in den Händen der Bundesanwaltschaft.

Das, was in diesem Fall geschehen ist, ist für die Verteidigung beispielhaft. Wir haben zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens kritisiert, dass die Ermittlungen ergebnisorientiert und einseitig geführt wurden. Naheliegende Alternativhypothesen wurden außer Acht gelassen Den von der Verteidigung in Bezug auf verschiedene Tatvorwürfe vorgebrachten anderen Deutungsmöglichkeiten wurden von Senat und Bundesanwaltschaft in der seit mehr als sechs Monate andauernden Hauptverhandlung keine Beachtung geschenkt.

Exemplarisch sei hier darauf hingewiesen, dass etwa auch der Tatverdacht gegen die Angeklagte Frau Lina E. im Fall des angegriffenen Arbeiters im Wesentlichen auf der einseitigen Interpretation eines abgehörten Gesprächs beruht.

Eine Verteidigung gegen eine Anklage, die vielfach auf Wertungen beruht, steht vor besonderen Schwierigkeiten. Wir haben in diesem Verfahren oftmals den Eindruck gehabt, dass eine Art von Beweislastumkehr vorliegt und wir gezwungen sind, den Gegenbeweis zu erbringen.

Wir haben die Erwartung, dass dieses Einzelbeispiel, bei dem es der Verteidigung gelungen ist, den Gegenbeweis zu erbringen, das Gericht dazu veranlasst, auch an anderer Stelle die Schlussfolgerungen der Bundesanwaltschaft und die polizeiliche Ermittlungsarbeit kritisch zu hinterfragen.

Pressemitteilung: RA Einar Aufurth, RAin Rita Belter, RA Ulrich von Klinggräff, RA Christian Mucha., RA Oliver Nießing, RA Daniel Werner, RAin Undine Weyers, RA Erkan Zünbül