Signal: Für eine Zukunft mit Privatsphäre, nicht Massenüberwachung

3. Oktober 2025

Deutschland muss sich entschieden gegen das Client-Side-Scanning im Chatkontrolle-Vorschlag aussprechen.

Wir sind alarmiert über Berichte, dass Deutschland im Begriff ist, eine katastrophale Kehrtwende zu vollziehen und seine langjährige und prinzipielle Opposition gegen den EU-Vorschlag der Chatkontrolle aufzugeben. In sehr realer Hinsicht könnte dies das Ende des Rechts auf Privatsphäre in Europa bedeuten. Deutschland war lange ein Verfechter der Privatsphäre, gestützt auf seine eigene Geschichte des schrecklichen Schadens, der durch Massenüberwachung entstehen kann, und trat entschieden für die Wahrung dieses Rechts für ganz Europa ein. Jetzt zu kapitulieren, in einer Zeit großer geopolitischer Unsicherheit, in der die Cybersicherheit unserer Kerninfrastrukturen wichtiger denn je ist, wäre ein unbegreiflicher strategischer Fehler und ein fundamentaler Verrat am Engagement Europas, aus der Geschichte zu lernen.

Unter dem Deckmantel des Kinderschutzes würden die neuesten Chatkontrolle-Vorschläge das Massen-Scannen jeder Nachricht, jedes Fotos und Videos auf dem Gerät einer Person vorschreiben. Diese Inhalte würden über eine staatlich verordnete Datenbank oder ein KI-Modell beurteilt, um festzustellen, ob sie zulässig sind oder nicht. Dies ist aus vielerlei Gründen eine erschreckende Vorstellung. Erstens ist der technische Konsens klar. Das Scannen jeder Nachricht – egal ob dies vor oder nach der Verschlüsselung geschieht – negiert die eigentliche Prämisse der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Anstatt das goldstandardisierte Signal-Verschlüsselungsprotokoll brechen zu müssen, um auf die Signal-Nachrichten von jemandem zuzugreifen, müssten Hacker und feindliche Nationalstaaten nur den Zugang ausnutzen, der dem Scan-System gewährt wird. Diese Bedrohung ist so gravierend, dass selbst Geheimdienste sie als katastrophal für die nationale Sicherheit erachten. Diese Vorschläge ignorieren die strategische Bedeutung privater Kommunikation und den langjährigen technischen Konsens, dass man keine Hintertür schaffen kann, die nur „die Guten“ hereinlässt. Was sie vorschlagen, ist im Endeffekt ein Massenüberwachungs-Freifahrtschein, der die intimen und vertraulichen Kommunikationen aller öffnet, sei es von Regierungsbeamten, Militärs, investigativen Journalisten oder Aktivisten. Angesichts all der Reden Europas über Souveränität ist dies eine bizarre Cybersicherheitsentscheidung auf mehreren Ebenen.

Für Signal ist die Chatkontrolle auch eine existenzielle Bedrohung. Wir tun eine Sache, und das sehr, sehr gut: Wir bieten die weltweit größte wirklich private Kommunikationsplattform. Und wir wissen, dass Verschlüsselung entweder für alle funktioniert, oder sie funktioniert für niemanden; eine Hintertür in einem Teil eines Netzwerks ist ein Einfallstor in jeden anderen Teil. Und wir werden die Integrität unseres Dienstes nicht kompromittieren oder die Sicherheit der Menschen gefährden, die sich weltweit auf uns verlassen, oft in Kontexten, in denen private Kommunikation den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmacht. Wenn uns die Wahl gestellt würde, entweder eine Überwachungsmaschine in Signal einzubauen oder den Markt zu verlassen, würden wir den Markt verlassen. Dies ist keine Entscheidung, die wir leichtfertig treffen würden, und unsere große Hoffnung ist, dass wir niemals damit konfrontiert werden. Aber wenn die Chatkontrolle gegen uns durchgesetzt würde, wäre dies wahrscheinlich das Ende.

Die gute Nachricht ist: Es ist noch Zeit, dies zu stoppen. Die Bundesregierung, insbesondere das Justizministerium, muss die Linie halten. Eine gute Entscheidungsfindung in Deutschland könnte den Unterschied ausmachen zwischen einer Zukunft, in der das Menschenrecht auf private Kommunikation in Europa existiert, und einer, in der Europas wirtschaftliche, soziale und politische Sicherheit durch den Massenüberwachungs-Freifahrtschein der Chatkontrolle gefährdet wird. Wir appellieren dringend an Deutschland, klug zu handeln und an seinen Prinzipien festzuhalten. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Geschichte wiederholt, diesmal mit größeren Datenbanken und viel, viel sensibleren Daten.

Meredith Whittaker

Präsidentin, Signal Foundation

Quelle: https://signal.org/blog/pdfs/germany-chat-control.pdf