Anne (40) ist seit über 20 Jahren in der Gastronomie tätig. Seit 9 Jahren betreibt sie die Kneipe Black Label in Connewitz. Das reicht für eine Observation und Haftandrohung durch die Soko LinX. Ein Interview über die Arbeit des LKA im Leipziger Stadtteil.
Seit wann bist du in der Gastronomie und was machst du so politisch?
Ich bin seit über 20 Jahren, auch während meines Studiums, in der Gastronomie tätig. Seit 2013 betreibe ich die Kneipe Black Label in Connewitz. Ich habe zwar eine politische Grundeinstellung, bin aber politisch nicht aktiv.
Du hattest Kontakt zu der Prokuristin des Immobilienunternehmens, welche überfallen wurde. Dabei ging es um das Grundstück neben deiner Kneipe – den Freisitz des Black Label.
Ja, ich hatte Kontakt zur Prokuristin. Sie wollte sich mal vorstellen, damit ich weiß wer den Freisitz von meiner Kneipe wegbaggert. [Anne lacht] Dazu gab es einen E-Mail Austausch und sie hat mich zum Essen eingeladen. Beim Essen haben wir uns über den Ablauf bzw. die Abwicklung des Geländes unterhalten. Das war durchaus auch kritisch, aber stets freundlich und situiert.
Als die Bauarbeiten losgingen, gab es einen Baggerbrand auf der Baustelle und die Prokuristin wurde zuhause aufgesucht und soll „mit Grüßen aus Connewitz“ ins Gesicht geschlagen worden sein.
Korrekt. Daraufhin bekam ich Post. Eine Vorladung als Zeugin zum Fall „Körperverletzung gegen die Prokuristin, Ermittlungen gegen unbekannt“.
Und du bist dort hingegangen?
So einfach ist es jetzt nicht. Einerseits kann ich verstehen, dass man auch in meine Richtung ermittelt. Für die Immobilie musste mein Freisitz weichen. Ich wusste aber auch, dass da wohl die Soko LinX dahintersteckt. Denen traue ich, nach der ganzen Berichterstattung, nicht. Ich hatte schlichtweg keine Lust dahin zu gehen. Da es sich aber um einen Brief der Staatsanwaltschaft handelte, blieb mir keine Wahl. Weil ich der Soko LinX nicht traue, habe ich mich anwaltlich beraten lassen. Die Anwältin kam mit zu der Vernehmung.
Wie lief die Vernehmung?
Im April 2021, inmitten der Corona Hochphase, schlugen wir im Polizeirevier Dimitroffstraße auf. Dort erwartete uns eine Beamtin und ein Beamter in einem ungelüfteten Zimmer. Die Beamtin trug ihre Maske unter der Nase. Zu trinken wurde uns nichts angeboten. Die Prozedur dauerte dreieinhalb Stunden.
Mir wurden Fragen zur Prokuristin und dem Fall gestellt. Ich wurde gefragt, wer so in meinen Laden geht, was die so erzählen. Wie die Stimmung war als klar wurde, dass der Freisitz weg muß. Ob ich da irgendwas beobachtet hätte. Ich wurde nach bestimmten Personen gefragt – unter anderem Lina E. und ihrem Verteidiger. Ich wurde gefragt, wie ich zu Gewalt stehe. Mir wurde unterstellt, dass es scheinbar Unsicherheiten gäbe, da ich eine Rechtsanwältin mitgebracht habe. Die Prozedur dauerte dreieinhalb Stunden, weil mir diese Fragen mehrfach in verschiedenen Formulierungen gestellt wurden.
Es war sehr gut zu beobachten, dass die Beamtin „die Naive“ spielte und der Beamte auf „mein Kumpel“ machte. Als meine Aussage gedruckt werden sollte, streikte der Drucker und die Beamtin verließ den Raum. Der Beamte versuchte Small-Talk zur wirtschaftlichen Situation der Kneipe während der Corona Pandemie.
Soweit nichts Überraschendes. Warum hast du dich an die Presse gewendet?
Während der Vernehmung wurde ich nach Namen und Adressen meiner Mitarbeiter*innen gefragt. Auf Anraten der Rechtsanwältin haben wir aus datenschutzrechtlichen Gründen dazu keine Angaben gemacht. Bei der Vernehmung haben sie das erstmal so stehen lassen – drei Monate später allerdings kam wieder Post von der Staatsanwaltschaft.
Darin wurde nochmal sehr deutlich gemacht, dass sie unbedingt die Namen und Adressen meiner Mitarbeiter*innen haben möchten. Ich habe den Brief meiner Anwältin weitergeleitet und die hat mitgeteilt, dass wir die Daten nicht rausgeben.
Im Oktober oder November letzten Jahren bekam ich einen weiteren Brief von der Staatsanwaltschaft Dresden. Mir wurde eröffnet, dass ich mit Bild und Tonmaterial observiert wurde. Die Maßnahme zog sich von Mai bis Juni 2020. Ich wäre Kontaktperson zu Lina E., würde aber nicht unter Verdacht stehen.
Du hattest Kontakt zu Lina E.?
Nicht, dass ich das wüsste. Wenn die junge Frau bei mir mal ein Bier getrunken hat, dann ist das ihr gutes Recht. Sinn einer Kneipe ist, dass sich dort Menschen treffen und gutes Bier trinken. Ich lasse mir von denen nicht den Personalausweis zeigen und lausche den Gesprächen.
Wie ging es weiter mit den Daten deiner Mitarbeiter*innen?
Wieder drei Monate später bekam ich erneut einen Brief, in dem man mir eröffnete, dass ich nun die Namen und Adressen der Mitarbeiter*innen rauszugeben habe. Der Termin am 29.6. ist geplatzt, weil der Vernehmungsrichter krank war. Beim Ersatztermin am 13.07. hat sich neben dem Vernehmungsrichter auch der Generalstaatsanwalt aus Dresden angekündigt.
Das klingt wie mit Kanonen auf Spatzen schießen
Das dachte ich mir auch. Meiner Rechtsanwältin wurde eröffnet, dass ein Ordnungsgeld das geringste Übel sei, falls ich die Daten meiner Mitarbeiter*innen nicht preisgebe. Vor dem Hintergrund der Androhung einer Hausdurchsuchung oder Beugehaft habe ich mich mit meinem Team zusammengesetzt. Das wollte mir solche Konsequenzen ersparen und hat zugestimmt, ihre Daten rauszugeben. Meine Anwältin hat dann Namen und Adressen der Mitarbeiter*innen weitergeleitet.
Bedeutet, dein Team erwartet ebenfalls ein unangenehmes Verhör durch die Soko LinX?
Ja, leider. Mein Team hat mitbekommen, wie mir das Verhör zugesetzt hat. Sowas ist emotional und mental extrem anstrengend. Ich hätte es ihnen gerne erspart.
Was macht das mit dir?
Ich frage mich, wann das aufhört und wie lange sich das noch hinzieht. Beim LKA Sachsen gibt es weder Objektivität, Neutralität noch Grenzen. Das nervt mich total.
Das macht nicht nur mich furchtbar wütend. Die Leute sind teilweise sprachlos darüber, wie man kriminalisiert wird. Nur weil man eine bestimmte politische Meinung hat, steht man unter Generalverdacht. Durch das Handeln der Ermittlungsbehörden wird der Eindruck vermittelt, ganz Connewitz sei eine konspirative Verschwörung. Das nervt nicht nur mich. / MS
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